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Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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klirrenden Frost … und der verdammte, der verfluchte, dieser hurige Fluß Tjuganja wird unter einer dicken Eisfläche verschwinden und ganz friedlich sein. Wir kennen das doch alles, liebe Freunde. Uns macht Sibirien nicht kaputt. Das war nur im ersten Jahr so, als wir Idealisten glaubten, das überstehen wir nie. Aber dann haben wir in die Hände gespuckt und den Kampf aufgenommen … gegen die Taiga, gegen die Sümpfe, gegen die Ströme, gegen den Frost, gegen die Mückenschwärme im Sommer … und gegen die Weite und die traurig-schöne Einsamkeit. Bis jetzt haben wir noch immer gewonnen. Jedes Jahr wieder. Und wir werden weiter gewinnen. Wir haben die Natur, wir haben Sibirien zu unserer Geliebten gemacht …
    Major Jankow ließ also zur Probe zwei Schlitten, beladen bis zum äußersten, hinter je zwanzig Sträflinge spannen und schickte sie hinaus auf die Straße nach Ottokh. Nachdem neun Gefangene zusammengebrochen waren, die anderen apathisch im Schlamm lagen und sich aufweichen ließen, die Schlitten bis weit über die Kufen einsanken, und man sie wieder entladen und alles einzeln ins Lager zurücktragen mußte, sagte selbst Jankow »Nein!« und funkte nach Ottokh die einfache Meldung:
    »Wenn ihr die Waren haben wollt, holt sie euch selbst in Nowo Sosnowka ab. Vielleicht seid ihr klüger als wir.«
    Man war es anscheinend nicht, denn aus Ottokh kam niemand – wie auch? – und man nahm auch die Aufforderung ohne einen Gegenfluch hin. Nur die Funkverbindungen klappten noch, und man war sich einig, daß der Nachschubzug Nummer X/169 – so die amtliche Bezeichnung – bis auf weiteres ausfiel.
    Im Lager änderte sich kaum etwas. Die Arbeitsbrigaden für Steinbrüche rückten aus, denn Steine kann man auch im Regen brechen. Sogar die Holzfällerkommandos mit ihren Motorsägen arbeiteten, legten die Baumriesen der Taiga um, aber die Stämme blieben, natürlich entastet, liegen, bis man sie mit den großen Lastschleppern wegziehen konnte.
    »Es muß frieren«, sagte Major Jankow zu Shukow. Sie saßen jede freie Stunde in der Kommandantur zusammen und spielten Schach, tranken Weinbrand aus Grusinien und erzählten sich Erlebnisse mit Weibern. Das war das einzige, was Jankow noch potent hielt, denn er konnte es sich nicht leisten, in Nowo Sosnowka die Frau eines ehrbaren Bauern und Genossen zu besteigen. Das versuchten seine Soldaten, und es gab deswegen täglich Krach und Schlägereien im Ort. Für einen Offizier ist so etwas unmöglich. Jankow blieb nur die Zeit des Urlaubs – einmal im Jahr ein paar Wochen in Taschkent. Er behauptete, die usbekischen Weiber seien die einzigen Frauen auf der Welt, die, einmal in Hitze geraten, nicht eher aufhörten, bis sie fast besinnungslos alle viere von sich streckten. Wer das nicht kannte, hatte zuerst Angst, er könnte sie zu Tode gehämmert haben.
    Also, davon erzählten sie auch dann noch, wenn die Wuginskaja dabei war, denn – so Major Jankow – man könne immer dazulernen, auch wenn man eine Genossin Ärztin sei. Ab und zu saß auch Dr. Fedjunin, dieser häßliche Leptosom, in der Runde, starrte die Wuginskaja aus hungrigen Wolfsaugen an und erzählte, daß er wieder einen Toten obduziert habe. Er erzählte es so, als sei es für ihn ein Orgasmus gewesen.
    Eines abends erschien Valja Johannowna in Shukows Zimmer, setzte sich auf das Bett und faltete die Hände in ihrem Schoß.
    »Stimmt das alles?« fragte sie.
    »Was?« Shukow hatte aus der Offizierskantine eine Flasche Wein geholt und goß zwei Plastikbecher voll. Etwas anderes gab es nicht. Die Verbindung zum anderen Ufer war seit zwei Tagen wieder unterbrochen, die Seilfähre war längst überflutet, die Doppel-T-Träger ragten aus den gurgelnden Fluten wie zwei riesige Zeigefinger. Aus dem Zug funkte der Zugleiter, daß es ihm gut gehe, das Wasser hätte die Gleise noch nicht erreicht, er halte aus, so wie ein Kapitän auf seinem Schiff … man kannte das, er sagte es immer, jeder lobte ihn deswegen, was ihm gut tat, und man wünschte ihm alles Gute.
    »Das mit den Frauen«, sagte die Wuginskaja. »Die Orgien, die ihr euch jeden Tag erzählt.«
    »Nein«, sagte Shukow. »Alles halb so schlimm.«
    »Und warum redet ihr immer davon? Warum steigert ihr euch in diese säuische Fantasie hinein?«
    »Warum lieben Sie mich, Valjaschka?«
    »Das ist etwas anderes, Wassjenka.«
    »Für Jankow nicht. Er sitzt hier ein ganzes, langes Jahr in der Einsamkeit mit über tausend Sträflingen und fast dreihundert Soldaten und

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