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Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zurück in sein Zimmer, aber die Wuginskaja war noch immer nicht da. Bei Dr. Fedjunin konnte sie nicht sein, da kam er ja gerade her, und es war unmöglich, jetzt in jedes Offizierszimmer einzudringen und in die Betten zu blicken. Nicht alle hörten an diesem Abend klassische Musik.
    Er ging zum Fenster, starrte auf das im Regenguß zerfließende Lager, wanderte dann im Zimmer hin und her, wie in einem Käfig, der viel zu klein ist für das gefangene Tier und blieb ab und zu vor dem Bett stehen, auf dessen Decke noch der Eindruck ihres Körpers zu sehen war. Auch ihr Parfüm schwebte unaufdringlich im Raum. Der Duft kasanischer Rosen.
    Nach einer Stunde ging er endlich zu dem Zimmer, das Major Jankow der Wuginskaja zugewiesen hatte. Ein Leutnant hatte es räumen müssen und schlief jetzt bei einem Kameraden.
    Valja Johannowna saß mit angezogenen Knien auf dem Bett, bekleidet mit einem gestickten tatarischen Nachthemd. Als Shukow eintrat, schüttelte sie den Kopf, und ihre langen schwarzen Haare legten sich wie ein Metallschleier vor ihr Gesicht. Er konnte nur auf den schwarzen Vorhang blicken … was dahinter geschah, mußte erraten werden.
    »Warum bist du weggegangen?« fragte er laut.
    »Du hast mich gesucht?«
    »Warum bist du –«
    »Du hast mich wirklich gesucht? Bist herumgerannt, mit einem höllischen Brand im Herzen, und hast dich immer wieder gefragt: Wo ist sie? Wo kann sie nur sein? Bei wem liegt sie jetzt im Bett? Oh, ich ermorde den, der sie jetzt unter sich hat! Ich zerreiße die ganze Welt! Valjanka, wo bist du? Valjaschka! Ich laufe herum wie ein Blinder, der das Licht wiederfinden will. – Aber sie war nicht da, nirgends war sie, und du bist innerlich verblutet. Wie schön das ist –«
    »Warum bist du hier?« brüllte er sie an.
    »Du hast mich hinausgeworfen. Weißt du das nicht mehr? Ich bin gehorsam wie ein dressiertes Hündchen … ich gehe …«
    »Dr. Fedjunin wird dich morgen nicht mehr an die Selektierung lassen.«
    »Das habe ich geahnt. Der große Shukow, der starke Bär hat befohlen.« Sie schob mit beiden Händen den Haarvorhang zur Seite. Welch ein Gesicht, dachte Shukow. Welch eine Frau! Er preßte die Lippen zusammen und genoß es, wie heiß sein Atem war, den er zurückhielt. »Was hat der Zar von Sibirien noch zu sagen?«
    »Komm herüber –«, sagte er heiser. »Verdammt nochmal, wenn wir uns schon zerfleischen, dann nicht auf Distanz!«
    Sie blieb auf ihrem Bett hocken, aber er wartete nicht ab, was sie tat. Er ging hinaus, schlug die Tür hinter sich zu und lief in sein Zimmer. Dort legte er sich im Dunkeln auf sein Bett und starrte die Tür an.
    Sie kam. Einen Spalt nur brauchte sie, um hineinzuschlüpfen. Im diffusen Licht, das von den Lagerscheinwerfern durch die Vorhänge ins Zimmer drang, sah er, wie sie neben der Tür stehenblieb, ihr tatarisches Nachthemd abstreifte und auf die Dielen fallen ließ. Dann hörte er das leise Tappen ihrer nackten Fußsohlen – sie kam aus der tiefen Dämmerung heraus in seinen Blick, schmal, mit schimmernder Haut, die Hände demütig auf den Leib gelegt.
    »Mach kein Licht an«, sagte sie mit ganz kleiner Stimme. »Ich beiße dir die Kehle durch. Ich schwöre es dir.«
    Er rückte zur Seite, sie legte sich neben ihn und warf sich plötzlich wie eine Katze herum, ließ sich auf ihn fallen und schlug mit den Fäusten auf seine Schulter.
    »Du Hund!« keuchte sie. »Du verdammter Hund! Was hast du aus mir gemacht?«
    Später, als sie schlief, machte er doch das Licht an und betrachtete sie. Man muß Wunder anbeten, ehe sie wieder vergehen …
    Dunja, dachte er. Das mußt du mir verzeihen. Du wirst es nie erfahren, ich werde es dir nie erzählen, trotzdem: Du mußt es verzeihen. Ich habe damit Hunderten kranker Sträflinge vielleicht das Leben gerettet.
    Es war ein so gemeiner, verlogener Gedanke, daß er sich vor sich selbst schämte, aber er dachte ihn zu Ende, weil diese Verlogenheit seine einzige Rechtfertigung war.
    Dann schaltete er die trübe Deckenlampe wieder aus, legte seinen Kopf zwischen ihre weit auseinanderstehenden, spitzen Brüste und schlief ein, eingebettet in den süßlichen, nach Pfirsichen duftenden Hauch, der ihrer Haut entströmte.
    Von den Wachtürmen kreisten die Scheinwerfer über das Lager. Das war Vorschrift, aber jetzt Blödsinn. Wer flüchtete denn in diese Wasserwüste?
    Irgendwann einmal in der Nacht spürte Valja Johannowna, daß Shukows Kopf zwischen ihren Brüsten lag. Sie wachte davon nicht auf, sie

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