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Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nach ihm, baute blitzschnell ihre Körperbrücke und schnellte ihm ihren Unterleib entgegen.
    »Haben Männer ein Herz?« schrie sie dabei. »Nur wenn ich weiß, daß sie ein Herz haben, weiß ich auch, daß sie krank sein können.«
    Er antwortete nicht, ließ sie in dieser hochgewölbten, von allen Muskeln und Sehnen gespannten Lage und verließ wieder das Zimmer. Mit einer Plane über dem Kopf rannte er hinüber zum Lazarett und traf Dr. Fedjunin an, wie er in einem Buch las, das von der Antarktis handelte. Fedjunin war so überrascht, daß ihm die Nickelbrille von der Nase rutschte.
    »Sie, Wassja Grigorjewitsch? Um diese Zeit? Ist es etwas Medizinisches? Fühlen Sie sich unwohl? Die Genossin Wuginskaja kann Ihnen doch sicherlich –«
    »Um Valja Johannowna handelt es sich, Dr. Fedjunin. Sind Sie der Chefarzt hier im Lager oder sie?«
    »Kann man ihr etwas abschlagen, Genosse? Sie wollte selektieren, also habe ich sie gelassen. Sie macht es fabelhaft –«
    »Zu fabelhaft! Bei tausend Sträflingen keine Krankmeldung … wo gibt es das?«
    »Das ist erstaunlich, aber der scharfe Blick der Wuginskaja für Krankheiten jeder Art –«
    »Ich bin ein kleiner Ingenieur«, sagte Shukow ruhig. »Aber ich habe mächtige Freunde in Irkutsk und in Moskau. Ich würde mich nicht scheuen, zu berichten, was ich hier gesehen habe …«
    »Genosse Shukow …« Dr. Fedjunin legte beide Hände an die Brille, als müsse er sich an das Nickelgestell festklammern. »Ich bin ein Mann. Als ich Valja Johannowna die Selektierung übergab, hat sie mich geküßt. Nur einmal, aber man vergißt das nicht mehr. Verstehen Sie das nicht?«
    »Ich weiß, daß es einen Erlaß gibt, jeden Strafgefangenen mit der Sorgfalt zu behandeln, die der Menschenwürde entspricht.«
    »Sie Komiker!« Dr. Fedjunin versuchte ein trockenes Lachen. »Das ist wohl Ihr erstes Lager, das Sie sehen?«
    »Allerdings.«
    »Dann seien Sie ein glücklicher Mensch und bleiben Sie es recht lange, das wünsche und gönne ich Ihnen. Kümmern Sie sich um Ihre Ingenieuraufgabe … was drumherum an den Wegesrändern liegt, übersehen Sie bitte! Gut, ich spreche mit Valja. Ich nehme ihr die Selektierung wieder weg … aber ich sage auch, wie das zustande gekommen ist. Den Sturm werden Sie erleben.«
    »Mit Freuden. Gute Nacht, Dr. Fedjunin.«
    »Ihnen auch, Wassja Grigorjewitsch. Es wird Ihre letzte gute Nacht sein.«
    Shukow rannte unter seiner Plane wieder durch den Regen zurück zur Kommandantur. Wenn Fedjunin wüßte, wer Shukow wirklich ist, dachte er dabei. Ein berühmter Name – auch wenn immer wieder betont wird, mit dem Marschall der Roten Armee bestünde keinerlei Verwandtschaft – ein paar Andeutungen, daß man maßgebende Genossen kennt (ist er etwa doch mit dem Marschall verwandt?), ein hartes Auftreten, und schon kann man Türen aufstoßen oder Türen zuschlagen, gegen die andere sich die Köpfe einrennen. Da ist Rußland nicht ein Fingerschnalzen anders als der Westen.
    Das Bett war leer, als er zurückkam in sein Zimmer. Das wunderte ihn, ja ärgerte ihn sogar und erzeugte einen tauben Druck in der Magengegend. Er kehrte sofort wieder um und ging hinüber zu Major Jankow. Der lag schon im Bett, zur Zufriedenheit Shukows allein, und hörte über ein Transistorradio Musik aus Jakutsk. Klassische Musik. ›Bilder einer Ausstellung‹ von Mussorskij.
    »Sie lieben klassische Musik?« fragte Shukow, nur um etwas zu sagen. Major Jankow nickte zufrieden.
    »Sie etwa nicht? Die meisten Russen lieben klassische Musik.«
    Stimmt, dachte Shukow. Vortrag des Professors für Musik, in Alaska, in der Geisterstadt Smolenska. Sechs Vorlesungen über die Gewohnheiten der Russen im Bereich der Musik. Neben Folklore vor allem Klassik, Oper und Ballett. In Rußland wissen mehr Menschen, wer Beethoven ist, als in Deutschland. Bob Miller, du läßt nach! Wie sagte General Orwell: »Immer an die Kleinigkeiten denken. An vergessenen Kleinigkeiten wird man euch sonst aufhängen.«
    »Was führt Sie zu mir, Wassja Grigorjewitsch?« fragte Jankow berechtigt.
    »Eigentlich nichts. Ich kam an Ihrem Zimmer vorbei und hörte die Musik. Das lockte mich an.«
    »Setzen Sie sich und hören Sie das Stück zu Ende …«
    Es blieb Shukow nichts anderes übrig. Er hockte sich auf einen Stuhl, unterdrückte seine Unruhe und erhob sich sofort, als die ›Bilder einer Ausstellung‹ beendet waren.
    »Danke«, sagte er. »Es war ein Genuß. Radio ist eine geniale Erfindung.«
    Er ging hinaus, lief

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