Das Doppelspiel
seinem Mähdrescher lehnend. Er dachte an General Orwell und an seine Pflicht, auch Dunjas Namen dem CIA zu melden. Das war unmöglich. Das war jetzt, als trete man Gott in die Kniekehlen. Dunja Andrejewna Koroljow … nur Rußland konnte eine solche Frau hervorbringen!
Am Abend trafen sie sich wieder im Hospital, am Krankenbett von John Barryl. Norma hatte sich eine halbe Stunde von Bill Rampler freigenommen, um John zu besuchen. Es war nicht viel los in Ramplers Hamburger-Restaurant. Ein großer Teil von Frazertown saß im Stadion und guckte einem Basketballspiel zu, der andere, kleinere Teil war im Konzertsaal versammelt. Ein Gastprofessor aus Swerdlowsk hielt einen Vortrag über amerikanische Raketenbasen, die man auf Satellitenfotos entdeckt hatte.
»Das ist schön, euch beide zu sehen«, sagte John. »Welch eine Idiotie, im Bett zu liegen! Nur wegen einer Armwunde. Aber nein, die Ärzte bestehen darauf. Heilt es etwa besser, wenn man dabei liegt, na? Was soll man machen? Jeder Protest wird damit beantwortet: Genosse, bedenken Sie, wie wertvoll Sie dem sowjetischen Volk sind. – Da kann man nichts mehr entgegnen, oder man ist ein Defätist.«
Sie lachten laut, Norma packte Weintrauben aus, die John mit großem Appetit aß, und Bob berichtete, daß er heute eine schöne Strecke mit dem Mähdrescher geschafft habe. »Mir macht die Arbeit auf dem Feld richtig Spaß«, sagte er. »Dieser Zauber der Natur! Wo man hingreift, schwellendes Leben –«
Norma trat ihn gegen das Schienbein. John sah es nicht, und Bob mußte sich beherrschen, sein Gesicht nicht zu verziehen. Trotz der Abendhitze, die sich in den Häusern staute, trug er ein hochgeschlossenes Hemd. Anders war es nicht möglich, Normas Bißwunden zu verdecken. Sie reichten bis zum Kieferbogen, also bis zum oberen Hemdkragenrand.
»Du machst mich zum Invaliden«, hatte Bob zu ihr gesagt. »Noch eine Woche mit dir, und ich muß mich eingipsen lassen.«
»In drei Tagen bin ich wieder raus«, sagte John jetzt. »Das hat man mir versprochen. Ist das nicht widersinnig? Erst absolute Bettruhe, und dann ist man in drei Tagen plötzlich wieder gesund! Ärzte haben ihre eigene Logik.« Er sah Bob fragend an. »Hast du etwas gehört? Du weißt schon …«
»Nichts. Bulder scheint recht zu haben. Da ist irgend jemand hysterisch geworden. Unsere Stadt ist sauber.«
Später, als sie John verlassen hatten und zusammen durch den warmen Abend gingen, fragte Norma: »Was sollst du gehört haben, Bob? Wer ist hysterisch?«
»Es ist eigentlich nur eine Sache zwischen John und Bulder. Offiziell weiß ich gar nichts davon.« Er blieb stehen und bewunderte zum wiederholten Male Ramplers beleuchteten Riesen-Hamburger auf dem Restaurantdach. »Es geht um einen Verdacht des KGB«, sagte er leichthin.
Norma warf ruckartig den Kopf herum. Ihre schwarzen Augen starrten ihn an. Sie waren jetzt wieder ein klein wenig geschlitzt und schräg gestellt. Erinnerungen an ihre tatarischen Vorfahren. »Das KGB? In Frazertown?«
»Noch nicht. Die Genossen in Odessa und Kiew spielen verrückt. Sie haben zerhackte Funksprüche aufgenommen und den Sender in Winniza lokalisiert. Und nun rätseln sie herum, ob in Frazertown ein Agent sitzt.«
»Unmöglich, Bob!«
»Das sage ich auch.« Sie gingen weiter und erreichten die Straßenecke, an der sie sich trennen mußten. Bob zu Hillmoores Bar, Norma zu Billys Hamburgers. »Aber wir kennen ja das KGB. Man darf keine Spur auslassen –«
Er küßte Norma auf den Mund, weil sie gerade allein auf der Straße waren, und sie streichelte dabei sein Gesicht. In einer halben Stunde war Frazertown wieder eine laute, kleine Stadt … dann hörte das Basketballspiel auf, und auch der Lehrgang über neue amerikanische Raketenbasen war beendet. Bob Miller bekam den Inhalt dieses Vortrages schriftlich von dem 2. Barmixer. Man hatte sich geeinigt, daß immer nur einer einen Vortrag besuchte und dann den anderen unterrichtete, es sei denn, es wurden Anwesenheitslisten geführt. Bei solchen Listen tat Bob nur, als trage er sich ein. Wenn jemand auf die Idee kam, die Listen mit den Anmeldungen beim Bürgermeister zu vergleichen, würde die Verwunderung groß sein, daß ein Bob Miller überhaupt nicht als Bürger von Frazertown eingetragen war. Aber nur an dieser Stelle konnte es gefährlich werden … auf der Straße, in den Lokalen und Geschäften, überall in der Straße fragte niemand, wer man sei oder woher man komme. Wer in Frazertown lebte, stand
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