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Das Doppelspiel

Das Doppelspiel

Titel: Das Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gekehrtem Blick und macht sich daran, das Problem mit unerkanntem Genie und Gottes stiller Hilfe auf die einfachste Art zu lösen.
    Das war schon immer so … von den Potemkinschen Dörfern bis zur Maschinenpistole im letzten Krieg, die man in Schlamm, Sand und Wasser werfen konnte, die glühende Hitze ebenso klaglos überstand wie 45 Grad Frost. Man putzte sie ab, lud sie durch, und siehe da, sie schoß, wo hochqualifizierte technische Wunderwerke nicht einen Ton mehr hergaben. Eine ganz einfache Konstruktion, bei der auch mal das Schloß wackeln konnte … wenn es möglich war, warfen die deutschen Soldaten ihre bei jedem Sandkorn beleidigt versagende MPi weg und wechselten zur russischen Sudayev über, von der Kalaschnikow ganz zu schweigen.
    Dewjatow wäre kein echter Russe gewesen, wenn er aus der plötzlichen Kenntnis, daß man ihn und seinen Sender mit vier getarnten Lastwagen einkreisen wollte, nicht sofort eine improvisierte Gegenmaßnahme eingeleitet hätte. Da das Einfachste immer das Beste und Harmloseste war und sich bei einer Bauernmahlzeit nur der verrät, der sich den Mund mit einer Serviette abputzt, aber nie der, der hinterher anerkennend und den Gastgeber damit lobend rülpste, entwickelte Dewjatow einen geradezu genialen Plan.
    In einen Bauernwagen, so einem holzrädrigen, rappelnden Ungetüm, mit Seitenwänden aus krummen, dicken Ästen, baute er unter dem Boden seine Sendeanlage ein. Dann koppelte er den Wagen mit der Deichsel an einen der Sowchose gehörenden Traktor und fuhr mit ihm, so oft er sich freimachen konnte, durch das fruchtbare Land am Bug, durch Weingärten und Obstplantagen, hielt mal da, rastete mal dort, lag der Sonne wegen unter seinem Bauernwagen im Schatten und bediente völlig ungestört seinen Sender. Immer nur ein paar Sekunden, mit einem Lockruf für Bob Miller. Dann stieg er wieder auf seinen Traktor und rappelte weiter, die Mütze im Nacken, das Hemd bis zum Nabel offen, in ausgeblichenen Drillichhosen. Ein fleißiger, fröhlicher Genosse. Gott segne ihn … er bestellt das Land, das der Himmel so reich beschenkt hat.
    Kapitän Slobin bekam indessen im Funkpeilwagen tiefe Ränder unter den Augen und begann mit den Händen zu zittern. Auch der Genosse KGB-Offizier aus Odessa schien magenkrank zu werden, zeigte eine gelbliche Gesichtsfarbe und deutliche Spuren von nervösem Mundzucken. Immer, wenn Dewjatow sendete ›MELDEN! MELDEN!‹ und dann schnell wieder abschaltete, stöhnte Slobin leise und zutiefst gequält auf. Die feinen Geräte wurden zur Lächerlichkeit verdammt.
    »Er spielt mit uns«, sagte der KGB-Kapitän heiser vor Wut. »Er weiß genau, daß wir ihn suchen! Er will uns entnerven! Aber das gelingt ihm nicht!« brüllte er plötzlich unbeherrscht. »Nie gelingt ihm das! Ich habe Nerven wie Panzerstahl! Ich bin ruhig! Ganz ruhig!«
    Neunmal in drei Tagen begegnete Dewjatow den getarnten Peilwagen. Er erkannte sie nur an der langen Antenne, die man geschickt um den Aufbau gezogen hatte. Die Fahrer waren wie Aktivisten der Transportbrigade gekleidet, aber unter den Planen saßen die Spezialisten aus Kiew an den Meßinstrumenten und warteten … warteten …
    Mit einem freundlichen Gruß ratterte Dewjatow auf seinem Traktor an ihnen vorbei. Der hölzerne lange Bauernwagen in seinem Schlepp hüpfte über die Unebenheiten der Landstraßen. Wenn es Zeit war, rastete er wieder und ließ sein verdammtes ›MELDEN! MELDEN!‹ in den Äther hinaus. Er erlebte dann dreimal, daß einer der Peilwagen wie von Verrückten gelenkt an ihm vorbeibrauste, während er noch unter dem Bauernwägelchen lag und eine Melone aß.
    Die Kunst der russischen Improvisation und der einfachen, genialen Idee feierte wieder einmal Triumphe.
    »Auch der Genosse Zufall hilft uns nicht«, sagte Kapitän Slobin zu seinem KGB-Kameraden. »Was hilft es uns jetzt, daß wir wissen, der Sender ist beweglich? Nichts! Gar nichts! Im Gegenteil … er entwischt uns nur noch mehr!«
    »Wir werden alles kontrollieren, was auf den Straßen ist«, sagte der Mann aus Odessa grollend.
    »Alles? Das gibt ein Verkehrschaos!«
    »Wenn der Spion nicht entdeckt wird, kann Rußland vielleicht ein einziges Chaos werden, Stanislaw Jakowlowitsch. Dann lieber Winniza auf den Kopf stellen. Sind Sie anderer Ansicht?«
    Natürlich war Slobin nicht anderer Ansicht, auch wenn er es war. Überlegungen des KGB zu widersprechen, ist ein Akt so großer Dummheit, daß die naturgemäß nachfolgende Bestrafung gerechtfertigt ist.

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