Das doppelte Lottchen
schmunzelt. Das Luiserl
ruft: »Das ist eine Idee! Das machen wir auch!«
Herr Kilian droht mit dem Finger. »Untersteht euch! Fräulein
Gstettner und Fräulein Bruckbaur werden ohnedies Mühe genug
haben, euch immer richtig auseinanderzuhalten!«
»Vor allem«, meint Luise begeistert, »wenn wir uns ganz gleich
frisieren und die Sitzplätze tauschen!«
Der Herr Direktor schlägt die Hände überm Kopf zusammen und
tut überhaupt, als sei er der Verzweiflung nahe. »Entsetzlich!« sagt er. »Und wie soll das erst einmal später werden, wenn ihr junge Damen seid und euch jemand heiraten will?«
»Weil wir gleich aussehen«, meint Lottchen nachdenklich,
»gefallen wir sicher ein und demselben Mann!«
»Und uns gefällt bestimmt auch nur derselbe!« ruft Luise. »Dann heiraten wir ihn ganz einfach beide! Das ist das beste. Montags, mittwochs und freitags bin ich seine Frau! Und dienstags, donnerstags und samstags ist Lottchen an der Reihe!«
»Und wenn er euch nicht zufällig einmal rechnen läßt, wird er
überhaupt nicht merken, daß er zwei Frauen hat«, sagt der Herr
Kapellmeister lachend.
Der Herr Direktor Kilian erhebt sich. »Der Ärmste!« meint er
mitleidig.
Frau Palffy lächelt. »Ein Gutes hat die Einteilung aber doch!
Sonntags hat er frei!«
Als das neugebackene, genauer, das wiederaufgebackene
Ehepaar mit den Zwillingen über den Schulhof geht, ist gerade
Frühstückspause. Hunderte kleiner Mädchen drängen sich und
werden gedrängt. Luise und Lotte werden ungläubig bestaunt.
Endlich gelingt es Trude, sich bis zu den Zwillingen
durchzuboxen. Schwer atmend blickt sie von einer zur anderen.
»Nanu!« sagt sie erst einmal. Dann wendet sie sich gekränkt an
Luise: »Erst verbietest du mir, hier in der Schule drüber zu reden, und nun kommt ihr so einfach daher?«
»Jetzt kannst du’s ruhig allen erzählen«, erklärt Luise huldvoll.
»Von morgen an kommen wir nämlich beide!«
Dann schiebt sich Herr Palffy wie ein Eisbrecher durch die
Menge und lotst seine Familie durchs Schultor. Trude wird
inzwischen das Opfer der allgemeinen Neugierde. Man bugsiert sie auf den Ast einer Eberesche. Von hier oben teilt sie der lauschenden Mädchenmenge alles mit, was sie weiß.
Es läutet. Die Pause ist zu Ende. So sollte man wenigstens
denken.
Die Lehrerinnen betreten die Klassenzimmer. Die
Klassenzimmer sind leer. Die Lehrerinnen treten an die Fenster und starren empört auf den Schulhof hinunter. Der Schulhof ist überfüllt.
Die Lehrerinnen dringen ins Zimmer des Direktors, um im Chor
Beschwerde zu führen.
»Nehmen Sie Platz, meine Damen!« sagt er. »Der Schuldiener
hat mir soeben die neue Nummer der ›Münchner Illustriertem
gebracht. Die Titelseite ist für unsere Schule recht interessant. Darf ich bitten, Fräulein Bruckbaur?« Er reicht ihr die Zeitschrift.
Und nun vergessen auch die Lehrerinnen, genau wie im Schulhof
die kleinen Mädchen, daß die Pause längst vorüber ist.
Fräulein Irene Gerlach steht, elegant wie immer, in der Nähe der Oper und starrt betroffen auf das Titelblatt der »Münchner
Illustrierten«, wo zwei kleine bezopfte Mädchen abgebildet sind. Als sie aufblickt, starrt sie noch mehr. Denn an der Verkehrskreuzung hält ein Taxi, und in dem Taxi sitzen zwei kleine Mädchen mit
einem Herrn, den sie gut gekannt hat, und einer Dame, die sie nie kennenlernen möchte!
Lotte zwickt die Schwester. »Du, dort drüben!«
»Au! Was denn?«
Lotte flüstert, daß es kaum zu hören ist: »Fräulein Gerlach!«
»Wo?«
»Rechts! Die mit dem großen Hut! Und mit der Zeitung in der
Hand!« Luise schielt zu der eleganten Dame hinüber. Am liebsten möchte sie ihr triumphierend die Zunge herausstrecken.
»Was habt ihr denn, ihr zwei?«
Verflixt, nun hat die Mutti wohl doch etwas gemerkt?
Da beugt sich, zum Glück, aus dem Auto, das neben dem Taxi
wartet, eine vornehme alte Dame herüber. Sie hält der Mutti eine illustrierte Zeitung hin und sagt lächelnd: »Darf ich Ihnen ein passendes Präsent machen?«
Frau Palffy nimmt die Illustrierte, sieht das Titelbild, dankt
lächelnd und gibt die Zeitung ihrem Mann.
Die Autos setzen sich in Bewegung. Die alte Frau nickt zum
Abschied. Die Kinder klettern neben Vati auf den Wagensitz und
bestaunen das Titelbild.
»Dieser Herr Eipeldauer!« sagt Luise. »Uns so hineinzulegen!«
»Wir dachten doch, wir hätten alle Fotos zerrissen!« meint Lotte.
»Er hat ja die Platten!« erklärt die Mutti. »Da kann er
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