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Das doppelte Rätsel

Das doppelte Rätsel

Titel: Das doppelte Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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eine Tele-Diagnose bitten lassen. Das ist alles.“ Er schwieg und blickte vor sich auf den Tisch. Es kam ihm jämmerlich vor, was er zu bieten hatte, und er deutete das Schweigen der anderen falsch. Als er aufsah, begegnete er dem nachdenklichen Blick des Kommandanten.
    „Es ist also alles getan, was sich gegenwärtig für unseren Kameraden tun läßt?'' fragte Ilja Fejnberg noch einmal.
    „Alles, was ich tun konnte!“ antwortete der Arzt bedrückt.
    „Wenig genug!“ knurrte der Ingenieur.
    Der Kommandant nahm den Kopf mit einem Ruck herum. „Wir stehen alle vor Rätseln. Jeder!“ sagte er scharf. Etwas gemäßigter wiederholte er: „Wir stehen alle vor Rätseln. Ich habe schon viele Untersuchungen geleitet, aber an einen so seltsamen Fall kann ich mich nicht entsinnen. Keine feststellbaren Schäden, keine Kursabweichung, die Piloten jedoch tot oder bewußtlos … Wir müssen uns darüber klar sein, daß dieser Fall schwerwiegende Folgen für die Raumfahrt haben kann. Wir müssen ihn klären, und zwar schnell. Dazu brauchen wir die Mitarbeit aller Anwesenden.“ „Wenn der Navigator nicht geschlafen hätte, wüßten wir mehr!“ behauptete Bernaud. Alle sahen Pollux an. Der sah starr über die Köpfe hinweg.
    „Wüßten wir auch nicht mehr!“ antwortete der Kommandant leise, aber mit gefährlichem Unterton. „Für seine Nachlässigkeit wird er bestraft werden. Sie hatte aber keinen Einfluß auf die Ereignisse oder auf unser Wissen davon, weil die automatische Verbindung funktionierte. Hier jedoch —“ er wandte sich an den Ingenieur — „ist er Mitglied der Kommission, mit den gleichen Rechten wie Sie, Henri Bernaud, moralisch gesehen sogar mit größerem Recht, weil der Kopilot sein Freund war. Verzeihung — ist. Ich hoffe, das genügt Ihnen!“
    Die scharfe Antwort hatte die Bedrücktheit, die anfangs auf allen gelastet hatte, ausgeräumt. Der Pilot nahm unaufgefordert das Wort, im Grunde aber mit dem Einverständnis aller, denn nach einem Streit zwischen zweien muß ein Dritter sprechen, wenn der Verhandlungston wieder sachlich werden soll.
    „Wissen wir denn wirklich so wenig?“ fragte er. „Die Verletzungen unserer Genossen können nicht von anderen Menschen und nicht von Gegenständen außerhalb des Raumschiffes — etwa Meteoriten — herrühren. Also müssen sie von Gegenständen innerhalb des Raumschiffes stammen. Zerstörungen oder auch nur Beschädigungen wurden aber nicht entdeckt, wenigstens nicht in der Zentrale, wo sich beide aufhielten. Bleibt also nur ein Gegenstand: die Rakete selbst.“
    Die anderen sahen sich überrascht an — nicht nur wegen der Länge der Rede, die für den wortkargen Johanson ungewöhnlich war. Aber im Grunde war es natürlich, daß gerade er auf die Lösung kam, denn er als Testpilot spürte ja schließlich fast jeden Tag die Wirkung hoher Beschleunigung am eigenen Körper. Es mußte einen plötzlichen, harten Anstieg der Beschleunigung gegeben haben, so daß die Piloten von ihrer eigenen Rakete gleichsam wie von einem Geschoß getroffen wurden. Das erklärte auch, warum der sitzende Pilot diesem Schlag erlegen war, während der liegende Kopilot ihn überstand — wenn auch nicht ohne ernsthafte Folgen. Aber Leif Johanson war noch nicht am Ende. „Wir wissen noch mehr!“ fuhr er fort. „Wir wissen den ungefähren Zeitpunkt des Ereignisses. Es muß in den fünfzehn Minuten stattgefunden haben, die der letzten PaN-Meldung folgten!“ Der Testpilot lehnte sich zurück, wie um die anderen zu Wort kommen zu lassen.
    „Also zwischen zehn Uhr zwölf und zehn Uhr siebenundzwanzig“, murmelte Pollux. „Nein, das stimmt nicht“, sagte er dann lauter, „Kastor lag noch, und um zehn Uhr achtzehn war Ablösung … hätte er ablösen müssen …“
    „Demnach hätten wir den Zeitraum schon auf sechs Minuten eingeengt!“ schaltete sich Osterriem ein. „Aber ich verstehe eins nicht: Warum in aller Welt läuft die automatische Verbindung in dieser Zeit normal?“
    „Das sind doch alles Spekulationen!“ wandte der Ingenieur ein. „Wenn so etwas passiert wäre, müßte der Navigraph es auf Grund der automatischen Standortmeldungen verzeichnet haben!“
    „Sie haben eine andere Erklärung?“ fragte der Kommandant. Der Ingenieur schüttelte verdrossen den Kopf.
    Pollux wartete, ob noch jemand etwas sagen wollte. Dann gab er zu bedenken: „Die automatische Verbindung besteht nicht ununterbrochen. Sie wird im Dreißig-Sekunden-Takt aufgenommen und dauert

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