Das Dorf der Katzen
Niedergeschlagenheit.
Terged war mit seinen Sinnen Zeuge der Vernichtung von Warad-al-hifs Ch’quar geworden.
Er war gewarnt.
Tatsächlich befand er sich noch in dem Haus, das er gerade durchsucht und aus dem er diesen Mann in die Fänge von Warad-al-hif getrieben hatte.
Er hatte den Schuss gehört und gleich darauf die gepeinigten Gedanken von Warad-al-hif empfangen.
Vorsichtig lugte er aus einem Fenster und sah auf der gegenüberliegenden Straßenseite einen Mann hinter einem Mauervorsprung knien, der soeben sein Gewehr durchlud.
Was hatte dieser Kerl auf Warad-al-hif abgefeuert?
Terged kroch durch die hintere Tür aus dem Haus. Er würde diesem Schützen in den Rücken fallen!
Ioannis blieb noch einige Zeit in seiner Deckung. Er wartete darauf, dass noch eine Kreatur aus dem Haus käme. Sie waren doch mindestens zu zweit!
Aber es tat sich nichts.
Ioannis überlegte fieberhaft und kam zu dem Schluss, dass es besser sei, seinen momentanen Standort zu verlassen. Die Kreatur in dem Haus hatte ihn möglicherweise beobachtet, wie er vorhin einen der ihren erledigt hatte. Sie würde nicht so dumm sein, aus der Vordertür zu spazieren, sondern sich hinten aus dem Haus stehlen. Dann würde sie versuchen, in seinen Rücken zu gelangen.
Zumindest hätte er das an Stelle des Ch’quar gemacht.
Er sah sich um. Einige Meter von ihm entfernt führte eine Außentreppe auf das Dach eines noch nicht zerstörten Hauses.
Ioannis spurtete hinüber und hetzte mit wenigen Sätzen die Treppe hinauf. Oben ließ er sich auf den Bauch fallen und robbte an die Dachkante.
Vorsichtig spähte er hinunter.
Er hatte den ganzen Platz und auch seine ehemalige Deckung im Blick.
Hier würde er eine Zeit lang warten.
Tatsächlich vergingen keine fünf Minuten, bis er sah, was er sehen wollte: Ein Ch’quar schlich sich unter Ausnutzung aller nur denkbarer Deckungsmittel an seinen Standpunkt von vorhin an.
Offenbar hoffte die Kreatur, ihn dort überraschen zu können.
Ziemlich einfältig, fand Ioannis. Als ob er nach seinem Schuss dort sitzen bleiben und warten würde, bis man ihn fand.
Der Ch’quar schien ein überragendes Orientierungsvermögen zu besitzen, denn er schlich sich zielgenau an Ioannis’ alten Standpunkt heran, ohne direkte Sichtverbindung zu haben. So konnte er aber auch nicht sehen, dass er einen leeren Ort anpeilte, dass sein potentielles Opfer längst nicht mehr da war, sondern zehn Meter entfernt und drei Meter höher.
Terged sah sich am Ziel. Hinter der nächsten Ecke würde der Schütze auf ihn, Terged, lauern. Aber er war schlauer gewesen. In wenigen Minuten hatte er den Mann umgangen und würde ihm jetzt in den Rücken fallen.
Mit einem schrillen Kreischen brach Terged aus seiner Deckung, die Pranken mit den ausgefahrenen Krallen vorgestreckt.
Der Ort war leer, sein Opfer verschwunden!
Terged schrie enttäuscht auf und blickte sich wütend um, da hörte er einen gellenden Pfiff.
Sein Kopf ruckte hoch und er sah den Schützen von vorhin auf dem Dach des Nebenhauses.
Gedankenschnell wandte er sich zur Flucht, aber das Projektil war schneller.
Ioannis ließ das Gewehr sinken.
Es war vorbei. Er wusste es einfach, dass er soeben den letzten Ch’quar außer Gefecht gesetzt hatte.
Langsam stieg er von dem Dach herunter und ging Richtung Plateia.
Sein Weg dorthin war ein real gewordener Albtraum.
Choriogatos sah aus wie nach einem Bombenangriff. Nur wenige Häuser waren unversehrt, die meisten wiesen mehr oder weniger heftige Schäden auf, standen in Flammen oder waren bereits Ruinen.
Diese materiellen Schäden berührten Ioannis jedoch nicht im geringsten.
Aber die Toten.
Sie lagen als stumme Zeugen, Zeugen der Anklage gegen N’gahar und seine Spießgesellen, in den Straßen und Gassen. Ioannis war mehr als einmal gezwungen, über eine der in verkrümmten Haltungen daliegenden Gestalten hinweg zu steigen und jedes Mal fühlte er einen schmerzhaften Stich im Herzen.
Er kannte doch jeden von ihnen, das waren keine anonymen Opfer auf einem Schlachtfeld.
Das waren Freunde, Nachbarn, Gefährten teilweise von Kindesbeinen an.
Er erreichte den zentralen Platz ein paar Minuten später. Langsam ging er in dessen Mitte, stellte sich neben den Stamm der uralten, mächtigen Platane und blickte sich um.
Er stand tatsächlich da wie der letzte überlebende Held aus einem Actionfilm, um welchen die Kamera in der Schlusssequenz einmal im Kreis herum fährt, um das erschöpfte, verschwitzte
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