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Das Dorf der Katzen

Das Dorf der Katzen

Titel: Das Dorf der Katzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Fritz
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Gesicht, die schmutzige Kleidung, den ganzen abgerissenen Eindruck aus allen Blickwinkeln zu zeigen, wobei im Hintergrund das verwüstete Schlachtfeld zu sehen ist.
    Ioannis stand einfach nur da. Stand auf der Plateia in mitten der schwelenden und rauchenden Trümmer, die einmal der Großteil des Dorfs Choriogatos gewesen waren.
     
    Nur etwa ein Viertel der Häuser war noch intakt oder lediglich geringfügig beschädigt. Die rasenden Kreaturen auf ihrem blindwütigen Vernichtungsfeldzug, die immer noch brennenden Feuer und die letzten Kampfhandlungen hatten ganze Arbeit geleistet.
    Aber was waren zerstörte Häuser, zertrümmertes Mobiliar, verbranntes Hab und Gut gegen die Opfer unter den Bewohnern?
     
    Ioannis blickte stumpf vor sich hin. Vor seinen Augen erschienen wieder die Bilder der Toten, die er heute hatte sehen müssen. Männer, Frauen, Kinder, Abbilder. Es war wie beim zweiten Angriff gewesen, als die Ch’quar schon einmal ins Dorf eingebrochen waren. Sie machten keine Gefangenen, sie verletzten nicht. Sie töteten ausnahmslos.
    Er atmete tief durch. Die Luft roch nach Rauch, Mörtelstaub und Blut. Ioannis roch das Blut, das unter und neben den Toten im Staub versickerte. So viel Blut! So viele Tote! So viele Tränen!
    Wozu eigentlich?
    Hatten sie mit dem Opfergang des Dorfs und wahrscheinlich bald der Insel wirklich den Fortbestand der Welt in ihren alten Bahnen gerettet?
    Wer würde das je beurteilen können?
    Oder war alles nur ein örtlich begrenztes Phänomen gewesen, der Kampf gegen einen Größenwahnsinnigen, der über unheimliche Mächte verfügte und es sich in den Kopf gesetzt hatte, DIE EINE und ihren friedlichen Kult des Zusammenlebens von Mensch und Tier zu vernichten, warum auch immer?
    Ioannis senkte den Kopf.
    Es war genug, er hatte genug. Er konnte und wollte nicht noch mehr geben.
    Er würde jetzt nach Vera suchen und dann nur noch weg von hier, weit weg.
    Vera! Wo sie wohl war?
    In seinem Traum war sie neben ihm gestanden und hatte gelacht, als Choriogatos unterging. Alle Versatzstücke aus seinem Traum waren bisher Realität geworden, also musste auch Vera hier irgendwo sein.
    Und wenn ihr doch etwas passiert war? Er hatte sie nicht gesehen, seit er die BARRAKUDA mit Absicht hatte stranden lassen. Von dem Moment an war er gefangen gewesen in der Maschinerie des Kampfs.
    Angst griff nach seinem Herzen.
     
    Ein heller Schrei zerriss die Stille, in der sonst nur das Knacken und Prasseln der Flammen zu hören war.
    „IOANNIS, KALI MOU!“
     
    „Kali mou“, murmelte Ioannis erleichtert. „Kali mou - mein Liebes!“
    Am Rand der Plateia stand Vera!
     
    Ioannis ließ sein Gewehr fallen und lief los.
    Vera stand unbeweglich da, streckte nur langsam beide Arme aus, als Ioannis auf sie zu rannte.
    „Mein Gott“, dachte sie. „Er sieht verheerend aus, was hat er mitmachen müssen?“
    Ioannis hatte ähnliche Gedanken, als er beim Näherkommen immer deutlicher sah, in welchem Zustand seine Vera war.
     
    Dann standen sie voreinander. Vera blickte zu ihm auf.
    Und er sah in ihren Augen, dass auch sie mehr erlebt und gesehen hatte, als ein Mensch eigentlich erleben und sehen dürfte.
    Wie in Zeitlupe legten sie ihre Arme jeweils um den Körper des anderen und verharrten so, gleichzeitig Schutz suchend und gebend, schweigend und regungslos.
    Eine winzige, intime Insel in einem Ozean der Zerstörung.
     
    Ioannis spürte, wie Veras lautlose Tränen sein T-Shirt an der Schulter durchfeuchteten und auch er schämte sich seiner Tränen nicht.
    Grisoula. Trevor. Ian. Raffaele und Aberdutzende andere. O Gerontas. Die Wächter. Zweihundert oder mehr Abbilder, wenn man die von Illasandria dazu rechnete.
    Alle tot.
    Eine Handvoll Überlebende unter den Wissenden, dreißig oder vierzig vielleicht. Und wahrscheinlich noch weniger unter den Abbildern.
    Der Blutzoll war entsetzlich hoch.
    Ob sich Choriogatos jemals wieder davon erholen würde?
    Er schlug sich diesen Gedanken sofort wieder aus dem Kopf.
    Es war das eingetreten, was die Prophezeiung gesagt hatte. Die Kreaturen waren durch das „strahlende Erz“ geschlagen worden. Sie würden nicht mehr zurückkommen, denn dann hätte die Prophezeiung gelogen, und das hatte sie bisher nie.
    In letzter Konsequenz bedeutete das aber auch, dass sie zwar die Weltherrschaftsansprüche des Hohenpriesters durchkreuzt hatten, aber die Verschmelzung der beiden göttlichen Schwestern Bastet und Sachmet nun erfolgen würde.
    Die Insel würde dabei untergehen. Es

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