Das Dorf der Katzen
der ihren diesen Wahnsinnigen gestoppt hatten?
Durften sie jetzt dafür mitsamt der Insel untergehen?
Bitterkeit machte sich in Ioannis breit.
Er drehte sich in Richtung des Tempels und ballte die Fäuste.
„Bastet!“, brüllte er zornig. „Bastet, was tust du? Warum quälst du uns so? Was sollen wir noch erleiden?“
Vera hatte die ganze Zeit im Hintergrund gestanden. Sie bemerkte, wie langsam die Wirkung der Spritze nachließ, die sie heute Morgen von Trevor bekommen hatte. Von Trevor, der jetzt, nur acht Stunden später, da draußen lag, tot und entstellt.
Auch sie wusste um das Schicksal der Insel.
Alle hier wussten darum, aber sicherlich hatten viele das unausweichliche Ende jetzt im Moment vergessen. Kein Wunder nach den Geschehnissen der letzten Stunden.
Insofern war es richtig von Ioannis gewesen, die Überlebenden daran zu erinnern, dass ein Pyrrhussieg errungen worden war.
Es traf Vera wie ein Schlag ins Gesicht, als die Erde unter ihr plötzlich aufbegehrte.
Ihre Gedanken und Gefühle deckten sich mit denen von Ioannis und denen der anderen, die jetzt verängstigt und verwirrt um sich blickten.
Warum tat Bastet das oder ließ es zu?
Sie hatten sich für den Erhalt der Welt in ihrem jetzigen Gefüge und für die mögliche Verschmelzung der beiden Göttinnen eingesetzt und aufgeopfert. Und jetzt wurden sie hier womöglich im Stich gelassen?
Sie blickte zu Ioannis, der noch immer auf seinem Schutthügel stand und im Zorn die Fäuste in Richtung Tempel ballte.
Seine Lippen bewegten sich jetzt in lautlosen Verwünschungen.
Dann zuckte sie zusammen.
Eine Stimme raunte in ihrem Kopf.
„Wir sind dir und deinesgleichen und unseren Abbildern unendlich dankbar. Meine Schwester und ich bedauern, dass die Wiedervereinigung schon jetzt beginnt. Wir können es nicht verhindern oder verzögern, es gehorcht einer höheren Ordnung, der sich auch Göttinnen zu beugen haben. Euch bleibt noch die Dauer einer kleinen Fackel, um die Insel zu verlassen, dann beginnt die letzte Phase der Wiedervereinigung, an deren Ende der Untergang der Insel und des Tempels meiner Schwester fern von hier stehen werden. Wir bedauern die Ängste und Zwänge, denen ihr ausgesetzt wart und noch seid. Vertraut auf euch! Lebt wohl!“
In Veras Gedanken erschien diese Nachricht von Bastet wie gesprochen und geschrieben zugleich - klar und deutlich.
Sie eilte zu Ioannis, der sich soeben wieder gefasst hatte und wieder zu den Bewohnern von Choriogatos sprechen wollte.
„Ioannis“, sagte sie, mühsam beherrscht. „Bastet hat gerade zu mir gesprochen. Die Fusion ist angelaufen und von den Göttinen nicht beeinflussbar. Wir haben noch ‚die Dauer einer kleinen Fackel’ - verdammt, wie lange ist das? - dann fliegt uns hier alles um die Ohren. Wir müssen weg, runter von Phelisonissi!“
Ioannis fuhr zu ihr herum und blickte sie mit verzerrtem Gesicht an.
„Na großartig!“, blaffte er Vera an, die erschrocken zurück zuckte. „Hat Bastet auch eine Idee, wie wir hier wegkommen sollen? Schwimmen? Mit dem Fahrrad? Oder vielleicht der U-Bahn?“ Er lachte humorlos auf. „Scheiße gelaufen, würde ich sagen! Wir haben uns verarschen lassen, nach Strich und Faden! Haben die Drecksarbeit gemacht, Dutzende von uns sind dabei draufgegangen. Und zum Dank dürfen wir Überlebenden jetzt hier sitzen und darauf warten, bis uns diese Insel unter dem Arsch wegsackt, oder wie? In einer ‚kleinen Fackel’ sagte sie? Schön, dass wir nicht einmal genau erfahren, wann wir hier absaufen! ‚Kleine Fackel’, das ist irgendwas zwischen einer halben und einer ganzen Stunde, ist ja auch völlig egal, es reicht so oder so nicht.“
Vera blickte ihn verzweifelt an.
„Schatz, du bist ungerecht!“
„Ungerecht? Ich?“ Ioannis lachte bellend, „ausgerechnet ich soll ungerecht sein? So viele Tote, darunter meine kleine Schwester und meine besten Freunde! Und wir sind auch bald dran, wenn jetzt nicht schleunigst ein Wunder geschieht. Soll das etwa gerecht sein? Komm mir nicht mit ‚gerecht’ oder ‚ungerecht’! Jetzt geht es um ‚leben’ oder ‚krepieren’! So einfach ist das. Außerdem ist es mir gelinde gesagt scheißegal, ob das alles der Göttin Leid tut oder nicht. Von ihrem Mitleid können wir nicht überleben!“
„Aber sie hat gesagt, wir sollen aufeinander vertrauen! Heißt das nicht, dass uns doch noch geholfen wird?“
Ioannis blickte sie an. In seinem Blick flackerte so viel Verzweiflung und Enttäuschung,
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