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Das Dorf der Katzen

Das Dorf der Katzen

Titel: Das Dorf der Katzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Fritz
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letzten zwei Jahrtausende verbracht hatte, die Statue der Bastet!
    Als würde sie von einem unsichtbaren Hydraulikstempel nach oben geschoben, so erschien sie majestätisch und langsam, bis sie in ihrer vollen Größe sichtbar war.
    Gebannt blickten alle auf dieses unwirkliche Schauspiel. Keiner nahm mehr das Tosen und Wüten der untergehenden Insel wahr, keiner blickte mehr woanders hin.
    Bastets Statue begann langsam von innen heraus zu glühen. Bald überstrahlte das von ihr ausgehende Licht alles. Die Figur der sitzenden Katze verschwand in einem gleißenden Lichtball, der wie schwerelos knapp über dem Boden schwebte. Der Lichtball setzte sich langsam in Bewegung, um dann mit zunehmender Geschwindigkeit nach oben in den asche- und rauchverhangenen Himmel zu steigen.
    Auch er durchstieß in rasender Fahrt die Atmosphäre und beschleunigte immer noch weiter.
    Und auch sein Kurs führte ihn ins Zentrum des Sonnensystems, zur Sonne.
     
    Die Statue war weg.
    Bastet war gegangen.
     
    Und sie alle hier waren zurückgeblieben.
    Erschöpft, verängstigt, allein gelassen.
    Ioannis hatte sich hingesetzt und Veras Kopf in seinen Schoß gebettet.
    Seine Gedanken drehten sich im Kreis und in Zeitlupe.
    Aus, vorbei, das war es dann gewesen!
    Er blickte auf. Die müden Gesichter um ihn herum waren voller Resignation und Trauer.
    Keiner schrie mehr, keiner weinte, keiner fluchte. Sogar die Kinder waren still geworden. Die Katzen hatten sich in einer Ecke der Mole in einer großen Gruppe versammelt. Die Jüngsten waren innen zusammengedrängt, von den Körpern der Alten nach oben und außen geschützt.
     
    Die Zerstörungsorgie auf der Insel strebte ihrem Höhepunkt zu. Phelisonissi begann, in Stücke zu zerbrechen. Der Geysir bei Illasandria war in Höhe und Breite gewachsen. Ein unablässiger Lavastrom ergoss sich aus ihm, wobei ein Teil des flüssigen Gesteins ins Meer abfloss und dort zischend und qualmend erstarrte und ein anderer Teil sich ins Inselinnere ergoss, dabei alles Brennbare verwüstend. Die harzigen Bäume und Büsche flammten auf, explodierten förmlich, als der Glutstrom sie erreichte. Wie brennende Riesenfackeln standen sie da, bevor die Lava sie endgültig fällte und begrub.
    Der Wind war eingeschlafen. Schwaden von Wasserdampf, schwefligen Gasen, Rauch und Asche zogen über die Menschen und trieben ihnen Tränen aus den Augen. Hustenanfälle quälten die Menschen, die Katzen rieben sich mit den Pfoten über die Augen, in denen die Nickhäute weiß schimmerten.
    Die Hitze aus dem Inselinneren schlug jetzt über ihnen zusammen.
    Aus dem Erdspalt, den die aufsteigende Statue hinterlassen hatte, drang erst Dampf und Rauch, dann ein Lavastrom, der in Richtung des Einsturzkraters floss und diesen allmählich füllte. War er voll, würde sich das flüssige Gestein seinen Weg in Richtung Mole bahnen.
     
    Mit müden, tränenden Augen blickte Ioannis auf dieses Inferno um sich herum.
    Er verspürte den brennenden Wunsch, alles rückgängig machen zu können.
    Tiefstes Bedauern erfüllte ihn.
    Worauf hatten sie sich da eingelassen?
    Wie konnten sie nur so vermessen gewesen sein zu glauben, in einem Spiel derartiger Dimensionen mitspielen zu können, ohne dabei unter die Räder zu kommen?
    Götter unter sich, dämonische Priester unter sich, Höllenwesen aus Staub und Energie unter sich und Menschen unter sich - so hätte es gepasst.
    Aber nicht Menschen mitten drin. Sie mussten zwangsläufig den Kürzeren ziehen.
    Aber das hatte er alles nicht gesehen oder sehen wollen. Er war berauscht von dem Gedanken gewesen, sich Errungenschaften der Neuzeit zu bedienen, um uralten Kräften erfolgreich zu begegnen. Gemahlenes Glas, Laser und Radioaktivität! Wie ein kleiner Junge hatte er sich von der Prophezeiung auf eine alberne Schnitzeljagd locken lassen, hatte brav mitgespielt und jetzt war alles verloren.
    Und zuletzt hatte er sich dann noch mit der Deutung, der Auslegung des Traums vertan. Phelisonissi versank Stunden zu früh. Nico würde zu spät kommen. Statt einer Insel gäbe es auf diesen Koordinaten dann nur noch Wasser und über Quadratkilometer hinweg Bimsstein, Asche und tote Fische an der Oberfläche. Und vielleicht ein paar herumtreibende Leichen.
     
    Ein tiefes, lautes Röhren aus nächster Nähe ließ alle erschrocken herumfahren.  Was kam jetzt noch?
    Aus dem Dunst und Ascheregen auf dem Meer schälten sich langsam die Umrisse einer Autofähre, die mit vorsichtiger Fahrt auf die Mole zuhielt und mit

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