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Das Dorf der Katzen

Das Dorf der Katzen

Titel: Das Dorf der Katzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Fritz
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wie eine überdimensionale Seifenblase nach oben in Richtung der Saaldecke stieg.
    N’gahar stierte ihr nach.
    Die Lichtkugel erreichte die Decke. N’gahar hielt unwillkürlich den Atem an. Aber die Kugel drang so langsam und lautlos in das Felsenmaterial der Decke ein, wie eine heiße Kugel in Wachs eindringen würde. Sie ließ den Fels auf ihrem Weg nach oben verschwinden. Er verdampfte nicht und zerfloss auch nicht, er verschwand einfach. Kein Krümel fester Materie, kein Spritzer verflüssigten Gesteins fiel nach unten.
    Die Kugel verschwand aus N’gahars Blick.
     
    Oben, auf der Oberfläche, wölbte sich plötzlich der Sandboden meterhoch auf, dann durchbrach die Kugel den Wüstenboden. Regungslos stand sie einige Augenblicke dicht darüber. Ihre kalte Helligkeit überstrahlte diejenige der Wüstensonne - es war ein gigantisches Schauspiel, das in seiner lautlosen Fremdartigkeit etwas Erhabenes hatte.
    Plötzlich ruckte die Kugel an und stieg erst langsam, dann zunehmend schneller nach oben. Als sie schließlich die obersten Schichten der Atmosphäre hinter sich ließ, hatte sie bereits mehrfache Schallgeschwindigkeit erreicht und beschleunigte immer noch weiter.
    Ihr Kurs führte sie ins Zentrum des Sonnensystems, zur Sonne selbst.
    Zurück blieb ein gähnendes Loch im Wüstenboden, durch das jetzt der umgebende Sand zügig nach unten rutschte.
     
    N’gahar saß wie betäubt auf dem kühlen Boden, im Rücken spürte er das Relief der Holztür. Vor ihm ragten seine grotesk verdrehten Beine unter der Robe hervor. Die Schmerzen waren grausig, aber noch zu ertragen.
    Sachmets Staue war verschwunden. So, als ob es sie nie gegeben hätte.
    In der Decke über dem Podest klaffte ein fast kreisrundes Loch, durch welches Sonnenlicht fiel. Unmengen von Sand rieselten durch dieses Loch herab und häuften sich darunter zu einem Berg auf, der das Podest schon fast völlig unter sich begraben hatte.
    Wenn er nur endlich aus diesem Saal herauskäme!
    Er rief laut nach den Na’aar, hämmerte gegen die Tür, aber es tat sich nichts, niemand kam, ihm zu helfen.
    Er verfluchte seine Hilflosigkeit.
    Dass sein von langer Hand geplantes Spiel verloren war, hatte er noch gar nicht registriert. Zu sehr war er im Moment mit sich und seiner misslichen Lage beschäftigt.
     
    Ein scharfes Knacken ließ ihn aufblicken.
    Ein mehr als fingerbreiter und einige Meter langer Riss hatte sich in der Decke gebildet. Ausgehend von dem Loch durchzog er die Saaldecke. Durch den Ausbruch der Statue, bei der die Decke beschädigt worden war, stimmte jetzt deren Jahrtausende alte Statik nicht mehr.
    Das Knacken wiederholte sich und ging in ein hässliches Knirschen über, als schlagartig eine Mehrzahl von Rissen entstand, die wie in einer zerspringenden Glasplatte kreuz und quer und im Zickzack über die Decke fuhren. Erste Steine lösten sich. Faust- bis kopfgroß stürzten sie herab, zersprangen auf dem Boden oder schlugen Dellen in das Mosaik. Steinsplitter flogen sirrend durch die Luft. Es roch plötzlich nach Kalk und Schwefel.
    Ein dumpfes Dröhnen drang von außerhalb der verschlossenen Tür herein. Es hörte sich an, als ob ganze Gebirgszüge in sich zusammenstürzten. Der Boden begann zu beben, die Tür in seinem Rücken vibrierte und teilte Stöße aus.
    Panik überkam N’gahar. Er schrie gellend um Hilfe, trommelte gegen die Tür, verwünschte die Na’aar und bettelte sie gleichzeitig wieder an, ihm zu helfen.
    Keiner der Diener kam. Wer von ihnen nicht schon bei den ersten leichten Erschütterungen fluchtartig die Anlage verlassen hatte, rannte spätestens jetzt um sein Leben.
    N’gahar war allein. Allein mit seiner Angst, seiner Verzweiflung und seinen Schmerzen. Nur noch diese drei Gefühle regierten sein Denken.
    Von dem eiskalten Analytiker, dem zynischen Machtmenschen, gnadenlosen Mörder und berechnenden Strategen war nichts mehr vorhanden.
    Ein schwerer Stein löste sich lautlos aus der Decke und schlug nach fast fünfundzwanzig Meter Fall mit dumpfem Laut genau auf seinen Unterschenkel, zermalmte die bereits gebrochenen Knochen endgültig und zerteilte das Gewebe um die Bruchstelle.
    N’gahars linkes Bein wurde unterhalb des Knies abgequetscht und amputiert.
    Er schrie gequält auf. Der Schrei ging in einen Hustenanfall über, als feiner Staub und Sand in seine Luftröhre gelangten.
    Hustend und stöhnend kroch N’gahar, halb blind von dem brennenden Kalkstaub, ziellos über den Boden. Der schwere Stein hatte die

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