Das Dorf der verschwundenen Kinder
sprach den letzten Satz in schlichter Aufrichtigkeit, die Pascoe beinahe rührend fand.
Chloe stand auf und sah ihn liebevoll an – etwa so, wie man einen liebenswerten, aber nicht dressierbaren Hund ansieht.
»Du liebst mich also, Arne. Genug, um den Rest deines Lebens mit mir zu verbringen? Mein überaus perfekter, liebenswürdiger und treuer Ritter. Du wärst doch treu, oder, Arne? Ich meine, wenn wir nicht zusammen sind, treibst du es nicht mit deinen kleinen Konzertreisen-Groupies oder Sängerinnen aus dem Opernchor, oder?«
Krog hörte auf, seinen Bart zu streicheln.
»Laß mich raten«, sagte er mild. »Unsere kleine Yorkshire-Nachtigall hat gesungen?«
»Ich habe mit meiner Tochter gesprochen, ja.«
»Deiner
Tochter
.« Krog lächelte. »Ich kann mich an deine Tochter erinnern, Chloe. Und alle Perücken, Kosmetika und Diäten der Welt können Betsy Allgood nicht in deine Tochter verwandeln. Falls es das ist, was sie versucht.«
»Warum haßt du sie nur so, Arne? Kommt das, weil sie die Karriere haben wird, von der du immer geträumt hast? Ein großer Fisch im großen Teich, nicht bloß ein kleiner in der Pfütze?«
»Das beweist, wie nahe wir uns tatsächlich stehen, Chloe. Ich kann meine Enttäuschungen nicht vor dir verbergen.«
Chloe lächelte traurig.
»Arne, du verbirgst sie vor niemandem. Jeder, der nach außen hin so gelassen ist, muß innerlich brodeln. Vielleicht solltest du etwas von deiner Wut in deinen Gesang legen.«
»Ah, kehrst du jetzt die Musikkritikerin und Psychologin heraus? Vielleicht hast du recht. Nur weil ich ruhig wirke, heißt das nicht, daß ich nicht wütend bin. Aber genauso gilt: nur weil ich mit jemandem bumse, heißt das nicht, daß ich dich nicht liebe. Du kannst das ruhig konsequent zu Ende denken, meine Liebe. Und nur weil ich jetzt nicht außer mir bin vor Verzweiflung, heißt das nicht, daß ich dich aufgebe. Wenn du ihn nicht verläßt, warte ich, bis er dich verlassen hat, was er sicher tun wird, glaube mir. Alle werden dich verlassen: Elizabeth wegen ihrer Karriere, Walter wegen … Gott weiß, weswegen. Und eines Tages wirst du dich umsehen, und es wird niemand mehr da sein außer dem guten alten gelassenen Arne. Lauf lieber jetzt, rat ich dir. Man spürt viel weniger Schmerz, wenn man läuft, als wenn man stillsteht.«
Es war an der Zeit, dachte Pascoe, sich bemerkbar zu machen, bevor Inger Sandel zurückkehrte und sich fragte, was er die ganze Zeit in dem Haus getrieben hatte, ohne mit Chloe zu sprechen.
Er ging zurück in den Flur, marschierte geräuschvoll auf die Küchentür zu, stieß sie auf und rief mit Dalziel-gleichem Nachdruck: »Holla!«
Dann ging er in die Küche, setzte ein entschuldigendes Lächeln auf, als sich ihre überraschten Gesichter zu ihm wandten, trat auf die Veranda, zog seinen Dienstausweis hervor und sagte: »Hallo. Tut mir leid, Sie zu stören, aber Miss Sandel hat mich reingelassen. Chief Inspector Pascoe. Mrs. Wulfstan, ich würde gern ein paar Worte mit Ihnen reden.«
Krog blickte ihn stirnrunzelnd an. Pascoe dachte, der Schlaumeier überlegt jetzt, daß Sandel schon vor fünf Minuten das Haus verlassen hat, und fragt sich, was zum Teufel ich in der Zwischenzeit gemacht habe.
Er sagte: »Sie sind Mr. Krog, nicht? Der Sänger? Meine Frau ist ein großer Fan von Ihnen.«
Ihm fiel ein, daß er einen Schriftsteller bei einem Interview einmal hatte sagen hören, wenn ein Mann ihm erzählte, seine Frau liebe seine Bücher, daß er den Mann von oben bis unten mustern und antworten würde: »Tja, irgendwann muß man auch mal wählerisch sein.«
Doch Krog sagte nur: »Wie schön. Entschuldigen Sie mich bitte.« Und ging.
»Setzen Sie sich doch, Mr. Pascoe«, forderte Chloe Wulfstan ihn auf. »Ich fürchte allerdings, daß ich nicht viel Zeit habe.«
»Ja, natürlich. Das Konzert. Ihr Mann ist schon fort? Eigentlich wollte ich ja ihn sprechen, also muß ich Sie nicht weiter aufhalten.«
In Gedanken hörte er ihre scharfsinnige Antwort: »Ich weiß nicht, warum Sie mich dann überhaupt belästigen mußten.« Doch nichts dergleichen kam.
»Sind Sie sicher, daß ich Ihnen nicht behilflich sein kann?« fragte sie. »Hat es etwas mit dem armen Kind aus Danby zu tun? Ich habe gehört, daß ihre Leiche gefunden wurde.«
»Ja, schrecklich, nicht wahr?« erwiderte Pascoe. »Ich kann nachvollziehen, wie schmerzhaft es für Sie sein muß, Mrs. Wulfstan.«
»Ach, können Sie das?« unterbrach sie ihn abschätzig.
Er dachte an
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