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Das Dorf der verschwundenen Kinder

Das Dorf der verschwundenen Kinder

Titel: Das Dorf der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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er und legte die CD hastig zurück. »Meine Frau hat schon eine. Mrs. Wulfstan ist da, sagten Sie?«
    »Ja«, antwortete sie und lächelte wie über einen heimlichen Scherz. »Auf Wiedersehen, Mr. Pascoe. Nett, Sie kennengelernt zu haben.«
    Sie trat aus dem Haus und wollte die Tür hinter sich zuziehen.
    »Warten Sie«, meinte er, etwas unsicher. »Mrs. Wulfstan …«
    »Ist schon gut«, versicherte sie ihm. »Ich muß ein wenig an die frische Luft. Rufen Sie einfach.«
    Es wäre ihm lieber gewesen, sie hätte das übernommen. Wie er Ellie einmal erklärt hatte, wird Schüchternheit durch Polizeiarbeit keinesfalls kuriert – erstere wirkt sich auf letztere nur hin und wieder ziemlich störend aus; zum Beispiel, wenn man sich in einem fremden Haus befindet und weit und breit keinen Ansprechpartner sieht.
    Zunächst hüstelte er, dann rief er mit der verhaltenen Stimme, die Kellnern gegenüber höflichen Befehl und Entschuldigung zugleich ausdrückte, »Hallo!«.
    Angestrengt lauschte er auf Antwort. Es kam keine, aber er vermeinte in einiger Entfernung Stimmen zu hören.
    Dalziel hätte entweder »Holla!« gebrüllt oder die Chance genutzt herumzuschnüffeln.
    Pascoe wollte gerade losbrüllen, da entschied er sich, daß es für einen Mann seines Temperaments weniger peinlich wäre, beim Herumschnüffeln entdeckt zu werden.
    Er schob die nächstliegende Tür auf und bereitete seine Lippen bereits auf ein entschuldigendes Lächeln vor.
    Er stand im Türrahmen eines Raumes, der wie das Studierzimmer eines Gentleman des letzten Jahrhunderts wirkte. Glänzende Buchvitrinen, ein Schreibtisch aus Mahagoni, Täfelung aus Eichenholz. Pascoe dachte an das vollgestellte Gästezimmer, das er zu Hause als Arbeitszimmer benutzte. Vielleicht sollte er anfangen, Bestechungsgelder anzunehmen.
    Das Zimmer war leer, aber die Entscheidung, eine Taktik des Dicken zu übernehmen, ging nicht so weit, auch in den Schubladen herumzuschnüffeln.
    Er ging in den Flur zurück und versuchte die gegenüberliegende Tür. Hinter ihr lag ein kleines Wohnzimmer, das ebenfalls leer war, von dem aus eine weitere Tür in ein geräumiges Eßzimmer mit einem so herrlich blankpolierten ovalen Eßtisch führte, der das Herz eines jeden Tischlers hätte höher schlagen lassen.
    Ihm gegenüber befand sich in der Wand eine halb geöffnete Durchreiche. Die Stimmen, die er vorher gehört hatte, waren nun deutlich zu verstehen, und er schlich hin und spähte durch den Spalt, ohne ihn weiter zu öffnen.
    Er blickte in eine Küche, doch die Sprecher befanden sich nicht darin. Die Hintertür war weit geöffnet, und Pascoe erkannte dahinter eine Veranda und einen der langen, üppig bewachsenen »Glockengärten« und fühlte sich wiederum vom Neid gepackt. Er konnte zwei Personen erkennen. Die eine im Profil, eine Frau, saß in einem Korbsessel mit niedriger Lehne. Die andere, ein Mann, beugte sich von hinten über sie, hatte die Hände unter ihre Bluse geschoben und massierte sanft ihre Brüste.
    Der Mann (den er ebenfalls aus dem Artikel in der »Post« wiedererkannte) war Arne Krog. Die Frau mußte Chloe Wulfstan sein, was sogleich bestätigt wurde.
    Krog sagte: »Genug ist genug. Eines Tages wirst du ihn verlassen müssen. Wenn nicht jetzt, wann dann?«
    Die Frau erwiderte aufgebracht: »Warum werde ich ihn verlassen müssen? Na gut, ja, vermutlich hast du recht. Aber ich habe die Wahl. Wie Selbstmord. Wenn man weiß, man kann es tun, macht es das Leben sehr viel leichter.«
    »Du meinst, allein die Tatsache, daß du weißt, daß du ihn eines Tages verlassen wirst, gibt dir die Kraft, bei ihm zu bleiben? Ach, komm schon, Chloe! Das ist nur eine clevere Methode, Worte zu benutzen, um Entscheidungen zu vermeiden.«
    Sie ergriff seine Handgelenke und schob seine Hände aus ihrer Bluse. »Erzähl mir nichts von nicht getroffenen Entscheidungen, Arne. Was ist denn deine Entscheidung bei alledem? Willst du etwa sagen, wenn ich Walter heute verlasse, hebst du mich auf deinen Sattel, galoppierst mit mir in den Sonnenuntergang und bereitest mir ein Happy-End?«
    Arne Krog zupfte gedankenvoll an seinem Kinnbart. Er hat seine Finger gern auf etwas Weichem, dachte Pascoe.
    »Ja, ich denke, das ist mehr oder weniger das, was ich sagen will.«
    »Mehr? Oder weniger?«
    »Na ja, weniger das mit dem Sattel«, erwiderte er lächelnd. »Und ich bin nicht sicher, ob irgend jemand ein Happy-End versprechen sollte. Aber soweit das menschenmöglich ist, werde ich es tun.«
    Er

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