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Das Dorf der verschwundenen Kinder

Das Dorf der verschwundenen Kinder

Titel: Das Dorf der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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schüttelte leicht den Kopf.
    »Also, nachdem Ihre Mutter gestorben war, dachten Sie, Sie könnten mal nach England kommen und nachsehen, ob die alte Dame tatsächlich reich war und Sie nicht etwas aus ihr herauspressen können. War es so?« fragte der Sergeant.
    »Nein«, sagte Slater, von der provozierenden Fragestellung unbeeindruckt. »Ma ist gestorben, und auf einmal war ich frei und konnte tun und lassen, was mir gefiel, mein Geld ganz für mich allein haben, und ich dachte, die einzigen Verwandten, die ich hab auf der Welt, sind im alten England, also warum nicht hinfahren und mal sehen, was es zu sehen gibt?«
    »Und dann sind Sie schnurstracks zum ›Wark House‹ gefahren!« sagte Wield anklagend.
    »Aber nein, Kumpel. Ich bin am Montag gelandet und erst mal nach London zu ’nem Kumpel von ’nem Kumpel zum Übernachten. Der hatte dann diesen alten Campingbus, den er mir für ’n paar Scheine geliehen hat. Ist viel billiger als Hotels, und ich bin nun mal ’n Naturbursche. Dann bin ich Richtung Norden gefahren und hab mir die Landschaft angeguckt. Freitag morgen kam ich nach Yorkshire und dachte, es kann ja nicht schaden, die alte Granny Lightfoot zu besuchen. Schön, daß sie noch am Leben war. Allerdings war sie ziemlich gebrechlich. Und durcheinander. Dachte, ich wär Benny. Ich hab versucht, ihr das auszureden, aber dann sagte sie was, das mir echt in den Ohren geklingelt hat, und ich hab’s nicht weiter versucht. Irgendwas, daß sie immer gewußt hätte, daß ich das Geld gefunden und mich damit in Sicherheit gebracht hätte.«
    »Ich dachte, Geld interessiert Sie nicht«, sagte Wield.
    »Das hab ich nicht gesagt, Kumpel. Ich sagte, das war nicht der Grund, warum ich hergekommen bin. Aber ich wollte auch nicht weggucken, wenn’s so aussieht, als ob es da ein bißchen Knete für mich gibt. Vor allem, als sie andeutete, daß es fünfzigtausend in bar sind, die sie in einer Blechdose unter dem Dachgesims verstaut hatte, wo sie, wie Benny wußte, immer alle Wertsachen aufbewahrte. Also würde er wohl da nachgeguckt haben, als sie ins Krankenhaus kam.«
    »Und sie war überzeugt, daß Benny das Geld bekommen hatte?« meinte Wield.
    »Ja, genau das hat sie sich gedacht, als er dann verschwand. Und jetzt, wo sie sicher war, daß er es wirklich gekriegt hat – weil sie mich ja nun gesehen hatte und dachte, ich wär Benny –, da meinte sie, jetzt könnte sie in Frieden sterben. Da hab ich dann wieder versucht, die Sache klarzustellen, und gesagt, daß sie jetzt noch nicht sterben müßte, in Frieden oder wie auch immer, weil ich doch Barney wär und nicht Benny, aber sie war inzwischen gar nicht mehr ganz bei sich, und ich merkte, daß sie’s nicht kapierte. Da bin ich gegangen. Hören Sie, kein Grund, mich so böse anzustarren. Ich will ihr ja erzählen, wer ich wirklich bin. Auf dem Rückweg werd ich wieder bei ihr vorbeifahren und hoffe, daß sie dann ein bißchen fitter ist.«
    Er sah Wield und die anderen herausfordernd an, aber dann merkte er, daß in ihren Gesichtern nicht nur Mißbilligung zu lesen war.
    »Was ist?« fragte er.
    »Schlechte Neuigkeiten«, sagte Dalziel. »Oder auch gute, je nachdem, wie Sie’s sehen wollen. Nach Ihrem Besuch ist sie in Frieden gestorben. Gestern nacht.«
    »Ach, Mist, Sie verarschen mich doch, oder? Nein, tun Sie nicht, hm? Mist. Ich hatte wirklich gehofft …«
    Er wirkte ehrlich geknickt.
    Novello wartete darauf, daß jemand eine Pause vorschlug, doch Dalziel sagte nur: »Keine Bange, Bursche. Zur Beerdigung schaffen Sie’s noch. Und jetzt ist ja auch Geld da, damit’s ’ne schöne Beerdigung wird. Je eher wir die Sache klären, um so eher können Sie sich drum kümmern. Also machen wir weiter, oder? Machen Sie einfach da weiter, wo Sie ›Wark House‹ verlassen haben.«
    Die Andeutung, daß er Slater freilasse, sobald er ihnen alles erzählt hatte, war schon beinahe Erpressung, dachte Novello. Nicht, daß das irgendeine Bedeutung hatte. Sie war überzeugt, daß sie den Großteil seiner Geschichte an seiner Stelle hätte erzählen können.
    »Ich bin weiter nach Norden, weil ich da ja hinwollte«, fuhr er also fort. »Aber die ganze Zeit hab ich nachgedacht, wie man das so tut, wenn man Auto fährt. Und ich dachte mir, was wäre, wenn Benny das Geld wirklich genommen und sich verkrümelt hätte – warum hatte er sich dann nie bei Granny gemeldet? Ich meine, er hat sie doch mehr geliebt als alles andere in der Welt, oder? Also, was ist mit ihm

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