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Das Dorf der verschwundenen Kinder

Das Dorf der verschwundenen Kinder

Titel: Das Dorf der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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losgeh’n und das tun, wofür wir bezahlt werden? Oder braucht ihr noch einen fetten Schmatz von Muttern, um in die Gänge zu kommen?«

Fünf
    R osie Pascoe fühlte sich in der Schule gar nicht wohl.
    Auf dem Schulhof hatte sie als erstes nach Zandra Ausschau gehalten, aber die war nirgends zu sehen gewesen. Miss Turner, die Klassenlehrerin, erklärte ihr, daß Mrs. Purlingstone angerufen habe, um Zandra krankzumelden.
    Das bedeutete zumindest, daß sie bei der Schilderung ihres Wochenendausflugs die Bühne ganz für sich allein hatte. Aber als es zur Pause draußen immer heißer wurde, vermißte sie ihre gewohnte Energie und war froh, abseits vom anstrengenden Getöse der Schulhofspiele zu stehen.
    Alle Stimmen schienen weit entfernt, wie bei einem Fernseher, den man leise gestellt hatte, und die spielenden Kinder bewegten sich vor ihr wie Gestalten auf einem kleinen Bildschirm. Es war kein unangenehmes Gefühl, dieses Entferntsein. Es war sogar der Zustand, in dem sie sonst am leichtesten mit ihrer Freundin Nina Kontakt aufnahm. Doch auch sie war heute nirgends zu entdecken, und dann fiel Rosie ein, daß Nina ja wieder vom Nix geschnappt worden und wahrscheinlich immer noch in seiner Höhle gefangen war.
    Aus dem Augenwinkel entdeckte sie hinter dem hohen Maschendrahtzaun um den Schulhof eine Gestalt. Voller Hoffnung ging sie darauf zu. Die helle Sonne blendete sie. Den ganzen Tag schon hatte sie diese Helligkeit gestört, und sie konnte nichts richtig sehen. Doch als sie näherkam, erkannte sie, daß es nicht Nina war, und als sie blinzelte, merkte sie, daß überhaupt niemand dort stand und sie sich wie ein Krallenäffchen an den Maschendraht klammerte.
    Sie spürte eine Hand auf der Schulter und fuhr herum.
    Es war Miss Turner. Sie war eine kleine Frau, viel kleiner als Mummy, aber heute wirkte sie irgendwie riesig groß.
    »Die Pause ist vorbei, Rosie«, sagte sie mit dieser weit entfernten, unwirklichen Stimme. »Zeit, in die Klasse zurückzugehen.«
     
    Einige Meilen weiter nördlich fühlte auch Shirley Novelle, sich gar nicht wohl in der Schule. Sie hatte nichts gegen Kinder, aber sie war nicht gerade verrückt nach ihnen. Und sie ärgerte sich über das Vorurteil, daß sie wegen ihres Geschlechts automatisch die geeignetste Person sei, um Lorraines Klassenkameraden auszuhorchen – vor allem, da sie nach wie vor glaubte, die Sache mit den Fahrzeugen gut gemeistert zu haben. Allerdings hielt sie es für klüger, sich nicht zu beklagen – nicht inmitten eines Falls um ein vermißtes Kind. Wenn man da den Befehl bekam, gegen Windmühlen zu reiten, ritt man sogar gegen Windmühlen an.
    Hier in der Schule gab es allerdings nicht einmal Wind. Alle Fenster des Gebäudes standen weit offen, doch eine Feder würde eher von den Lippen eines Toten fortwehen als hier von einer Fensterbank.
    Die Kinder waren lethargisch, teils wegen der Hitze und teils, weil die anfängliche Aufregung über die Polizisten nebenan nachgelassen hatte und ihnen der eigentliche Grund für ihre Anwesenheit mehr und mehr bewußt wurde. Mrs. Shimmings und auch Miss Blake, die Klassenlehrerin, taten ihr Bestes, um die Kinder abzulenken und zu beschäftigen, aber auch ihnen machte die berechtigte Angst um ihre vermißte Schülerin zu schaffen, und die schien sich trotz angestrengter Zurückhaltung auf die Kinder zu übertragen.
    Die Befragung war nicht sehr ergiebig. Ein paar von Lorraines Freundinnen sagten, sie habe oben am Ligg Beck ein »geheimes Versteck« gehabt, aber nach dem genauen Ort gefragt, starrten sie Novello nur entgeistert an, als sei sie vollkommen verblödet, und sagten: »Das wissen wir nicht. Es war doch geheim!« Schließlich drängte sie ein wenig zu sehr auf Antwort, woraufhin eines der befragten Mädchen in lautes Schluchzen ausbrach, das sich schnell auf die anderen übertrug, und die Befragung war vorbei.
    »Ich werde später noch mal mit ihnen reden«, versprach Mrs. Shimmings, als sie zusammen den Korridor hinuntergingen. »Es hat keinen Sinn, Kinder in diesem Alter zu drängen. Sie müssen warten, bis sie von sich aus erzählen wollen.«
    Na toll, dachte Novello. Du mußt ja auch keinem Männerverein Rede und Antwort stehen, die nicht mal beeindruckt sind, wenn man was Positives zu berichten hat!
    Mit dem Männerverein meinte sie natürlich Dalziel und Pascoe und ein kleines bißchen auch Wield. Nachdem sie zur Kriminalpolizei gegangen war, hatte sie schnell erkannt, daß es für einen ambitionierten

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