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Das Dorf der verschwundenen Kinder

Das Dorf der verschwundenen Kinder

Titel: Das Dorf der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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vor dem Range Rover das Gebiet durchkämmte, bis sich das Talende durch den Schlenker ostwärts ihren Blicken entzog.
    Und schließlich, nach einer Drehung um dreihundertsechzig Grad, sah sie das Talstück direkt zu ihren Füßen vor sich.
    Das war nun wirklich interessant. Das Tal wurde zum oberen Ende hin immer schmaler, und da dieser Aussichtspunkt etwas vorgelagert war, lag der tiefe Graben, der weiter oben den Flußlauf zu erkennen gab, hier relativ nahe. Natürlich blieb durch die Hügel und Unebenheiten des Geländes viel verborgen, aber ein Mann, der hier oben stand und ein Kind beobachtete, das am Bach spazierenging, sagen wir mal
da
, hätte keinerlei Schwierigkeiten, den Hang hinunterzulaufen, der auf dieser Seite viel flacher war als am Neb, und sie etwa
dort
abzufangen.
    Sie setzte das Fernglas ab und betrachtete das Ganze mit bloßem Auge. Nun war natürlich alles viel weiter entfernt. Allerdings sprach nichts dagegen, daß ein Mann, der hier anhielt, ebenfalls ein Fernglas dabeihatte. Und damit ein kleines Mädchen beobachtete, das ganz allein spazierenging, nur mit ihrem kleinen Hund …
    Doch das war reine Theorie und nichts, das man vor der Heiligen Dreifaltigkeit hätte präsentieren können. Gestützt durch ein paar relevante Fakten allerdings …
    Sie suchte den Boden am Parkplatzrand nach Hinweisen dafür ab, daß jemand den Abhang hinuntergestiegen war. Schnell mußte sie erkennen, daß sie damit nur ihre Zeit vergeudete. Sie war kein Indianer, der erkennen konnte, wer wann wo vorbeigekommen war. Außerdem war vermutlich jedes Kind, das hier mit seinen Eltern Rast gemacht hatte, den Hang hinuntergerannt.
    Sie ging zum Wagen zurück, holte ein Paar Plastikhandschuhe und hob den Müllsack aus dem Abfalleimer. Er war randvoll. Dies war gestern bestimmt ein beliebter Rastplatz gewesen, und eine Sonntagszeitung obenauf ließ vermuten, daß der Mülleimer seither nicht geleert worden war. Sie kippte den Inhalt auf die Erde und begann, die unteren Schichten zu durchsuchen. Aus ihrem Lateinunterricht in der Klosterschule kam ihr das Wort
haruspex
in den Sinn: ein Hellseher, der aus den Eingeweiden von Tieren weissagte. Das wäre ein guter Name für diese FBI –Leute, von denen sie gelesen hatte, die sich auf die Untersuchung von Haushaltsmüll spezialisiert hatten. Vielleicht hatte Scotland Yard auch ein paar solcher Leute unter Vertrag, aber im Trainingsprogramm der Polizei von Mid-Yorkshire stand es nicht gerade an erster Stelle. Möglicherweise hätte ein Experte mit den leeren Nahrungsmittelverpackungen, die den größten Teil des Abfalls ausmachten, mehr anfangen können, aber Novello konzentrierte sich auf den Rest und hatte nach einigen Minuten eine 3-Volt-Lithium-Batterie herausgesucht, wie sie in manchen Fotoapparaten verwendet wurde, eine leere Marlboro-Lights-Schachtel, zwei Sonntagszeitungen (eine seriöse, ein Revolverblatt), einen kaputten Ohrring und ein Papiertaschentuch mit einem braunen Fleck, der Blut sein konnte.
    Diese Sachen packte sie in eine Extratüte und den Rest wieder in den Müllbeutel, den sie mit Klebeband verschloß und in ihren Kofferraum warf. Sie hatte nicht wirklich die Hoffnung, daß irgend etwas davon mit dem Fall zu tun haben könnte, aber wenn doch, so wollte sie Dalziel nicht sagen müssen, daß der Rest etwaiger Beweisstücke in irgendeiner Mülldeponie gelandet war.
    Nun studierte sie ihre Landkarte. Es gab vier Bauernhöfe, bei denen sich ein Besuch lohnen könnte. Hier hatte sie große Hoffnungen. Und ein gutes Gefühl.
    Einige Stunden später, als sie über vertrocknete Heidebüschel stapfte und sich die Knie und Ellbogen an den steinernen Grenzmäuerchen aufschürfte, war von ihrem Gefühl nichts weiter übrig als schmerzende Muskeln und durch die Hitze wundgescheuerte Achselhöhlen. Die Höfe hatte sie zwar gefunden, aber niemanden, der am Sonntagmorgen irgend etwas gesehen hatte.
    Doch sie war fest entschlossen, daß Halbherzigkeit nicht zu den Anschuldigungen gehören sollte, die sie sich möglicherweise würde anhören müssen. Gründlichkeit, so hatte ihr eine alte Lehrerin einmal gesagt, war eine Belohnung in sich selbst. Das war immerhin ein Trost, denn als sie den letzten Hof verließ, mußte sie zugeben, daß sie bislang noch nichts anderes eingebracht hatte.
    So machte sie sich schließlich auf den Weg zum Highcross Inn.

Sechs
    N ur für Anwohner mit Parkschein« stand an Anfang und Ende der Holyclerk Street.
    Dalziel scherte knapp vor einer

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