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Das Dorf der verschwundenen Kinder

Das Dorf der verschwundenen Kinder

Titel: Das Dorf der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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machte die Sache zwangloser, weniger bedrohlich. Außerdem bekam Krog dadurch ein Publikum, das ihn sehr viel besser kannte als Dalziel. Obwohl wenig Aussicht bestand, daß ein in Auftritten derart geübter Mann Lampenfieber bekam, so konnte es doch sein, daß seine Zuhörer bei Anzeichen von Schauspielerei aufmerksam wurden und auffällig reagierten.
    Keine der Frauen machte Anstalten, den Raum zu verlassen.
    »Das ist richtig.«
    »Warum?«
    Viele Leute hätten jetzt Erstaunen gezeigt oder gespielt und ihn gebeten, deutlicher zu werden. Nicht so Krog.
    »Ich war unruhig gestern morgen und fühlte mich beengt durch die Hitze und die Stadt. Also fuhr ich hinaus aufs Land. Ich hatte Lust auf einen Spaziergang, irgendwo allein und in frischer Luft, so daß ich meine Lungen freisingen könnte, ohne daß ich jemanden erschrecke, außer vielleicht ein paar Schafe. Ich fuhr nach Danby, weil ich die Landschaft dort kenne. Schon mehrmals habe ich in der St. Michael’s Hall gesungen, und ich gehe immer gern eine Runde spazieren, bevor ich auftrete.«
    Das war sehr ausführlich, dachte Dalziel.
    Er warf einen kurzen Blick auf Elizabeth Wulfstan. Da war etwas an ihr, das ihn beunruhigte. Vielleicht diese alten Augen in dem jungen Gesicht?
    Er sagte: »Was ist mit Ihnen, Herzchen? Geh’n Sie auch gern allein spazieren, bevor Sie auftreten?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nur in Begleitung und wenn ich angesäuselt bin.«
    »Und Sie, Miss?«
    »Nein. Ich bewege mich aus Gründen der Notwendigkeit und nicht der Erholung«, antwortete Inger Sandel.
    Dalziel wandte sich wieder an Krog.
    »Wohin sind Sie denn gegangen?«
    »Über die Gemeindewiese, nach rechts – Osten ist das wohl? Ich habe keinen besonders guten Orientierungssinn.«
    »So. Nach Osten. Also nicht den Berg rauf?«
    »Nein. Eigentlich hatte ich vorgehabt, dort hinaufzugehen, aber als ich aus dem Auto stieg und merkte, wie warm es ist, beschloß ich, in die andere Richtung zu gehen. Da ist Weideland mit ein paar Bäumen, keine großen Wälder, aber zumindest etwas Schatten. Das kleine Mädchen ist den Berg hinaufgegangen? Jetzt wünschte ich, ich hätte es auch getan. Vielleicht hätte ich …«
    Chloe Wulfstan kam mit Dalziels kaltem Getränk ins Wohnzimmer zurück. Als sie es ihm reichte, machte Krog hinter ihrem Rücken eine kleine Kopfbewegung, um ihm zu verstehen zu geben, er möge mit seiner Befragung erst nach ihrem Verlassen fortfahren.
    Doch Dalziel ignorierte seine Bitte und sagte nach einem Schluck frisch gepreßter Limonade: »Das ist wunderbar, meine Liebe. Also, Sie haben nix geseh’n, Mr. Krog?«
    »Natürlich habe ich etwas gesehen: den Himmel und die Erde und die Bäume, und ich hörte Vögel und Schafe und Insekten. Aber soweit ich mich erinnern kann, habe ich keinen anderen Menschen gesehen oder gehört. Tut mir leid.«
    »Ist schon gut. Natürlich haben Sie auch den Neb geseh’n, oder?«
    »Was?«
    Zum ersten Mal schien er um eine Antwort verlegen.
    »Den Neb. Da Sie auf der gegenüberliegenden Seite des Tals waren, konnten Sie ihn eigentlich nicht überseh’n, würd ich meinen. Sie haben nicht etwa dran gedacht, den Leichenpfad raufzuspazieren und auf Dendale runterzugucken?«
    Er sprach immer noch über Chloe Wulfstans Schulter hinweg. Mrs. Wulfstan starrte ungerührt auf sein Gesicht.
    »Nein, das habe ich nicht«, erwiderte Krog verärgert. »Ich habe Ihnen gesagt, was ich tat, Mr. Dalziel. Wenn Sie noch weitere Fragen haben, so denke ich, daß die allgemeine Höflichkeit, wenn nicht gar der Anstand gebietet, daß Sie diese andernorts stellen.«
    »Herrschaftszeiten! Ich glaub, Sie sprechen besser Englisch als die meisten Engländer, Mr. Krog«, sagte Dalziel und blinzelte Elizabeth Wulfstan heimlich zu. Dafür erntete er wiederum ein kurzes schwaches Lächeln.
    Chloe Wulfstan sagte: »Wenn Sie hier fertig sind, Superintendent … Walters Besprechung ist beendet. Er dachte, Sie würden vielleicht lieber allein mit ihm reden. Wenn Sie also so nett wären, in sein Arbeitszimmer zu gehen …«
    »Danke, meine Liebe«, meinte Dalziel. Er leerte seine Limonade, gab ihr das Glas zurück, nickte den anderen Frauen freundlich zu und verließ den Raum.
    Arne Krog folgte ihm.
    »Wollen Sie Walter auch wegen des Mädchens befragen?«
    »Möglich«, entgegnete Dalziel.
    »Meinen Sie wirklich, die Sache hat etwas mit Dendale zu tun, nach all den Jahren?«
    »Sollte ich Grund dazu haben?«
    »Ich bin gestern nach Danby gefahren, wie Sie wissen.

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