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Das Dorf der verschwundenen Kinder

Das Dorf der verschwundenen Kinder

Titel: Das Dorf der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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noch in den Büchern.«
    »Da bin ich sicher«, sagte Wield. »Besser, wenn so was Schönes ein gutes Zuhause findet, als daß es zerschlagen am Grunde des Mere liegt, oder?«
    Es herrschte ein Moment gemeinsamer Nostalgie für eine Vergangenheit, durch die der Fortschritt eine sechsspurige Autobahn gepflügt hatte.
    Dann rief Novello von der Tür aus: »Chef«
    Er ging zu ihr. Sie zeigte ihm zwei durchsichtige Plastiktüten. In einer lag ein weiß-rosa Kinderturnschuh. In der anderen ein blaues, zur Schleife gebundenes Seidenhaarband.
    »Das Haarband lag auf dem Rücksitz«, flüsterte sie. »Und der Schuh unter einem Haufen Zeug im Kofferraum.«
    Wield dachte schweigend nach. Novello konnte seine Gedanken erraten. Sollten sie Turnbull sofort mit ihrer Entdeckung konfrontieren oder warten, bis die Sachen von den Dacres identifiziert waren?
    Die Frage war beantwortet, als Turnbull im Türrahmen erschien.
    »Na, was haben Sie da, hübsches Kind?« fragte er.
    Er klang völlig neutral. Vielleicht zu neutral unter den Umständen, dachte Novello. Wield ignorierte ihn.
    »Gehen Sie zum Funkgerät … nein, lieber ans Telefon«, kommandierte er. »Sagen Sie denen, was los ist und daß ich eine Suchmannschaft und einen Gerichtsmediziner hier haben will. Sofort.«
    Schließlich wandte er sich zu Turnbull um. »George Robert Turnbull, ich weise Sie darauf hin, daß alles, was Sie sagen …«

Dreizehn
    A ndy Dalziel und Cap Marvell saßen sich im Nebenzimmer des »Book and Candle« gegenüber. Es war ein kleiner Raum mit Platz für gerade ein halbes Dutzend Stühle, und unter einem der zwei schmalen Tischchen berührten sich ihre Knie. Tatsächlich war es mehr als eine Berührung, da jeder das Knie des anderen zwischen den Beinen eingeklemmt hatte, doch da Dalziels entschuldigendes Grunzen nichts weiter auslöste als ein ironisches Lächeln, entspannte er sich einfach und genoß den Körperkontakt.
    Das Pub gehörte nicht zu denen, die er häufig besuchte. Seine Lage im Glockenviertel und sein ultranobles Ambiente – weder Spielautomaten noch Billardtische, noch seichtes Hintergrundgedudel – machten es für berufliche Treffen eines Kriminalbeamten untauglich. Aber da es ein Pub war und in seinem Revier lag, kannte er es natürlich und war darin bekannt, so daß der Wirt weder über die Bestellung von drei Bier erstaunt war noch über die Ankündigung, daß er das Nebenzimmer für die nächste halbe Stunde als geschlossen betrachten sollte.
    Das erste Bier hatte kaum die Wände des Glases berührt, und das zweite war bereits halb leer, als er das Gespräch eröffnete.
    »Hab dich vermißt«, sagte er abrupt.
    Cap Marvell lachte auf.
    »Würdest du das bitte noch mal probieren, Andy? Und versuch dann doch, daß es etwas weniger nach schüchternem Schuljungen klingt, der zaudernd seine Selbstbefleckung bekennt.«
    Er trank noch einen großen Schluck und brummte dann: »Vielleicht hab ich dich doch nicht so sehr vermißt.«
    Sie drückte sein Knie zwischen ihren und sagte: »Tja, ich hab dich mehr vermißt, als ich für möglich gehalten hätte.«
    Dieses Geständnis rief ein Gefühl in ihm hervor, das er nicht genau einordnen konnte.
    Während er das versuchte, sagte er mürrisch: »Deine Entscheidung.«
    »Nein«, erwiderte sie ruhig. »Es gab keine Entscheidung. Jedenfalls nicht damals.«
    »Warum bist du dann hier?«
    »Weil es jetzt vielleicht eine geben kann.«
    »Und?«
    »Und wenn dem so ist, dann werde ich entscheiden.«
    »Vielleicht solltest du warten, bist du gefragt wirst«, sagte er. Er hatte das Gefühl als verschämte Freude identifiziert. Das störte ihn irgendwie. Als nächstes würde er noch rot werden!
    »Oh, nein. Das ist nur ein Vorwand. Alle wichtigen Entscheidungen werden im voraus getroffen.«
    Als er so dasaß und sie ansah, merkte er, daß er nicht nur das hübsche Gesicht, den kräftigen Körper und die großen Titten vermißt hatte, sondern auch ihren Humor, ihre Unabhängigkeit und die ganz und gar unzickige Art, sich auszudrücken – eine Eigenschaft, die durch ihren Upperclass-Akzent zuweilen verwischt und zuweilen noch verstärkt wurde. Dieser Akzent war anscheinend alles, was von ihrem früheren Leben übriggeblieben war, in dem sie, kaum daß sie die Schule verlassen hatte, in die unteren Adelsränge hineinheiratete, einen Sohn gebar und ihn (soweit Kindermädchen und Internat es erlaubten) zu einem jungen Offizier heranwachsen sah, der im Falkland-Krieg als vermißt gemeldet wurde und

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