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Das Dorf der verschwundenen Kinder

Das Dorf der verschwundenen Kinder

Titel: Das Dorf der verschwundenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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vermutlich umgekommen war.
    Dies war ein einschneidendes Erlebnis gewesen, das sie gezwungen hatte, ihr Leben erneut zu überdenken. Und nicht einmal die Nachricht, daß ihr Sohn noch heldenhaft am Leben war, konnte ihre Entscheidung dann noch ändern. Es folgten Entfremdung von der feinen Gesellschaft, Scheidung, Auflösung aller vorheriger moralischer Gewißheiten, Ausschweifung, Engagement für eine Reihe radikaler Anliegen – und schließlich Dalziel.
    Sie hatten sich kennengelernt, als ein Tierschutzverein unter ihrer Leitung in die Ermittlungen eines Mordfalls verwickelt wurde. Getrennt durch mehrere Lebensjahre, diverse Klassenschichten und meilenweit unterschiedliche Auffassungen, hatten sie dennoch eine gegenseitige Anziehung verspürt, die alle Abgründe überbrückte, bis ihr Verlangen nach Vertrauen und sein Bedürfnis nach beruflichen Gewißheiten eine zu weitgehende Bindung erfordert hatten.
    Diese zufällige Begegnung schien nun die Möglichkeit zu eröffnen, um die fehlende Verbindung schließlich doch noch herbeiführen zu können.
    Sie sagte: »Während wir also entscheiden, laß uns plaudern. Was hat dich in Walters Haus geführt? Habe ich nicht gelesen, daß du diesen Fall mit dem vermißten Kind leitest?«
    Sie sah es also, wenn sein Name in der Zeitung stand. Das gefiel ihm, aber er zeigte es nicht.
    »Stimmt. Sein Wagen wurde in der Nähe von ihrem Wohnhaus gesehen. Der vom Smörebröd auch.«
    »Bitte?«
    »Von Krog. Dem Schweden.«
    »Norweger, glaube ich. Auf jeden Fall klingt das nicht gerade höflich.«
    »Ich und höflich? Vielleicht war’s ’n andrer Kerl, den du vermißt hast.«
    »Kann sein. Du wolltest sie also sehen. Walter und den Sm … Krog.«
    »Richtig. Um sie als Verdächtige auszuschließen.«
    »Ich dachte, für so was schickst du deine Sergeants.«
    Es war eine Anspielung darauf, daß er sie damals von Wield hatte befragen lassen, als die Sache zwischen ihnen zu heiß wurde.
    »Nicht, wenn es um jemanden wie Wulfstan geht.«
    »Andy, du willst damit doch nicht etwa sagen, daß die Reichen und Mächtigen eine Sonderbehandlung vor dem armen Pöbel bekommen?« frotzelte sie.
    Er runzelte die Stirn, die dadurch aussah wie von einem betrunkenen Pflüger zerfurcht. Würde sie die Geschichte der Wulfstans kennen, hätte sie das sicher nicht gesagt.
    »Wie gut kennst du die Wulfstans?« fragte er.
    »Nicht so gut. Die Frau fast gar nicht. Walter nur als Vorsitzenden des Festival-Komitees. Als ich vor ein paar Jahren hierher zog, fing ich an, die Konzerte vor Ort zu besuchen und mich mit ein paar Leuten aus der Musikszene anzufreunden – niemand, der meine sonstigen Aktivitäten teilt, muß ich wohl schnell hinzufügen, ehe du anfängst, nach Namen zu fragen. Eine Freundin war in dem Komitee. Als sie beruflich den Bezirk hier verlassen mußte, empfahl sie mich für ihre Stelle, und so lernte ich Walter kennen.«
    »Ach ja? Und der war natürlich beeindruckt von deiner Erfahrung, Streikposten und Demos und illegale Durchsuchungen von Privatgrundstücken zu organisieren.«
    »Ich halte die verschiedenen Bereiche meines Lebens strikt getrennt, Andy«, entgegnete sie. »Bohr Löcher in Deiche, und der Ärger sickert durch, wie du und ich gemerkt haben. Dies ist mein erstes Jahr im Komitee, ich bin also noch dabei, mich einzuleben.«
    »Ich dachte, da hättest du den Laden schon übernommen.«
    »Darauf besteht nicht viel Aussicht«, meinte sie lächelnd. »Alles ist so gut organisiert, daß es sehr wenig zu tun gibt. Diese Verlegung des Aufführungsortes ist unsere erste echte Krise, und Walter scheint alles gut unter Kontrolle zu haben.«
    »Das scheint mir auch so. Ihr werdet also gleich in Danby Möbel rücken, wie?«
    »Heute nicht mehr. Aber für morgen habe ich meine Hilfe angeboten, falls sie mich brauchen. Walter führt ein strenges Regiment, da sind Drückeberger nicht gefragt. Aber das ist eigentlich alles, was ich über ihn weiß. Es hat keinen Zweck, mich weiter über ihn auszufragen, Superintendent.«
    »Das will ich auch gar nicht«, entgegnete Dalziel. »Ich schätze, ich weiß alles, was ich wissen muß. Wahrscheinlich ist es besser, du weißt es auch, für den Fall, daß du unsere Bekanntschaft andeuten möchtest.«
    Sie wollte einen Witz darüber machen, doch als sie sein Gesicht sah, hielt sie inne. Bestürzt lauschte sie der Geschichte über die verschwundenen Kinder von Dendale.
    »Diese armen Leute … Ich weiß noch, wie es mir ging, als sie mir sagten,

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