Das Dorf in den Lüften
und große Augen wie Gazellen hatten, und deren Vorkommen zwischen Uganda und Cabinda auch der englische Missionär Albert Lhyd bestätigt hat mit der Angabe, daß dort im Astwerk der Bäume oder unter diesen über zehntausend Bambustis hausen, die einen Häuptling haben, dem sie unweigerlich folgen. In den Wäldern von Neduqurbocha war derselbe, von Ipoto aus, durch fünf Dörfer gekommen, die deren liliputanische Einwohner erst am Tage vorher verlassen hatten. Ebenso war er Uambuttis, Batinas, Akkas und Bazungus begegnet, die durchschnittlich nur hundertdreißig Centimeter, manche davon gar nur zweiundneunzig Centimeter groß waren und deren Körpergewicht noch nicht einmal vierzig Kilogramm erreichte. Dennoch erwiesen sich diese Zwergvölker nicht minder intelligent, in ihrem Sinne gewerbfleißig, doch auch kriegslustig und grausam, so daß sie von den Ackerbau treibenden Stämmen am obern Nil nicht wenig gefürchtet wurden.
Verführt durch seine lebhafte Einbildungskraft, seinem Hange nach allerlei Außerordentlichem, verharrte Max Huber bei der Vorstellung, daß auch der Wald von Ubanghi seltsame Menschenformen bergen müsse, die die Ethnographen bisher noch nicht kannten. Warum könnte es hier auch nicht wunderbare, menschliche Wesen geben, vielleicht nur mit einem Auge, wie die Cyklopen der Sage, oder mit einer rüsselförmig verlängerten Nase, die es erlaubt hätte, sie, wenn auch nicht zu der Ordnung der Pachydermen, doch zu der Familie der Proboscidier zu rechnen?
Unter dem Einflusse seiner wissenschaftlich-phantastischen Träumereien vergaß Max Huber freilich ziemlich ganz seine Pflichten als Wächter. Leicht hätte sich hier ein Feind heranschleichen können, ohne daß Khamis und John Cort zeitig genug davon erfahren hätten, sich zur Vertheidigung zu rüsten.
Da legte sich eine Hand auf seine Schulter.
»Ho! – Was ist das? rief er aufspringend.
– Ich bin es, ertönte die Stimme John Cort’s. Sieh mich nur nicht für einen Wilden von Ubanghi an… Nun… nichts verdächtiges bemerkt?
– Gar nichts.
– Es ist Zeit, daß Du Dich nun niederlegst, lieber Max.
– Ja, ja; es sollte mich aber sehr wundern, wenn die Träume, die mir vielleicht im Schlafe kommen, den Vergleich mit denen aushielten, die ich im Wachen gehabt habe!«
Der erste Theil dieser Nacht war ohne jede Störung verlaufen, und so verlief auch deren Rest, als John Cort an die Stelle Max Huber’s getreten war und als Khamis nach drei Stunden wieder John Cort abgelöst hatte.
Sechstes Capitel.
Immer weiter nach Südwesten.
Am nächsten Morgen, am 11. März, brachen John Cort, Max Huber, Khamis und Llanga, die sich von den Anstrengungen des ersten Tages jetzt vollständig erholt hatten, auf, um die des zweiten Marschtages zu überwinden.
Nachdem sie ihre Lagerstatt unter den Baumwollbäumen verlassen hatten, umkreisten sie die Waldlichtung und wurden hier von Myriaden von Vögeln begrüßt, von Sängern, die ihre Triller lustig hinausschmetterten oder Orgeltöne erklingen ließen, um die sie die Patti und alle anderen Virtuosen der italienischen Musik hätten beneiden können.
Doch vor dem eigentlichen Aufbruche empfahl es sich noch, ein Frühstück einzunehmen. Dieses bestand einzig aus kaltem Antilopenfleisch und Wasser aus dem zur Linken vorüberfließenden Bache, aus dem sich auch der Foreloper seine Feldflasche füllte.
Anfänglich führte der Weg nach rechts unter die Baumkronen, die schon die ersten Strahlen der Sonne durchblitzten, deren Stand sorgsam ermittelt wurde.
Offenbar hausten mächtige Vierfüßler in größerer Menge in diesem Theile des Waldes. Nach jeder Richtung hin waren hier Durchgänge gebrochen. Noch im Laufe des Vormittags wurden auch eine Anzahl Büffel und sogar zwei Rhinozerosse sichtbar, die sich aber in gemessener Entfernung hielten. Da dieselben offenbar in keiner kampflustigen Stimmung waren, brauchte man auch keine Patrone zu opfern, um sie zu vertreiben.
Nachdem etwa ein Dutzend Kilometer zurückgelegt waren, machte die kleine Gesellschaft gegen Mittag zum erstenmale wieder Halt.
Dabei fand John Cort Gelegenheit, ein Paar Trappen von der Abart der sogenannten Korans zu erlegen, die am Leibe ein gagatschwarzes Gefieder haben und mit Vorliebe im dichten Laubwerk nisten. Ihr von den Eingebornen sehr geschätztes Fleisch fand bei der Mittagsmahlzeit auch den Beifall eines Amerikaners und eines Franzosen.
»Ich wünschte aber dringend, hatte Max Huber gesagt, daß einmal wirklich gebratenes
Weitere Kostenlose Bücher