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Das Dorf in den Lüften

Das Dorf in den Lüften

Titel: Das Dorf in den Lüften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Kameruns wäre das sicherlich anders gewesen. Dort ist der Mensch schon keine seltene Erscheinung mehr. Die Elfenbeinjäger, denen sich Hunderte von Banditen, von Eingebornen oder Fremden anschließen, setzen dort die Affen nicht mehr allein in Erstaunen, denn die Thiere sind seit langer Zeit Zeugen der greulichen Verwüstungen durch jene gewesen, Zeugen ihrer Raubzüge, die schon so viele Menschenleben gekostet haben.
    Nach einem ersten Halt in der Mitte des Tages wurde gegen sechs Uhr abends eine zweite Rast gemacht. Das unentwirrbare Netz von Lianen hatte die Wanderung zuweilen recht schwierig gemacht. Sie zu zerschneiden oder zu zerbrechen, erfordert allemal eine mühsame Arbeit. Immerhin fanden sich, und auch auf größere Strecken hin, mehr offene Pfade, auf denen sich jedenfalls Büffel hinzutrollen pflegten, denn einzelne von diesen, unter anderen Onjas von besonderer Größe, konnte man noch hinter entferntem Gesträuch entdecken.
    Diese Wiederkäuer sind, schon infolge ihrer außerordentlichen Kräfte, gar sehr zu fürchten, und die Jäger, die sie verfolgen, müssen sich sorgsam hüten, von ihnen nicht selbst angegriffen zu werden. Das sicherste Mittel, sie zu erlegen, besteht darin, daß man ihnen zwischen den Augen eine Kugel in den Kopf jagt.
    John Cort und Max Huber hatten noch nie Gelegenheit gehabt, ihre Geschicklichkeit gegenüber diesen Onjas, die sich hier übrigens in gemessener Entfernung hielten, zu erproben. Da es überdies an Antilopenfleisch nicht mangelte, erschien es rathsamer, den kleinen Munitionsvorrath zu schonen. Auf diesem Zuge sollte kein Schuß fallen, wenn nicht die persönliche Vertheidigung in Frage kam, oder die täglich nothwendige Nahrung beschafft werden mußte.
    Am Rande einer kleinen Waldblöße und am Fuße eines Baumes, der seine Umgebung überragte, gab Khamis das Zeichen, Halt zu machen. Sechs Meter über dem Erdboden begann die in’s Graue spielende grüne Belaubung des Baumes, den zahllose, mit weißem Flaume überzogene Blüthen schmückten, von denen viele, Schneeflocken ähnlich, rings um den Stamm mit seiner silberhellen Rinde herunterfielen. Es war ein afrikanischer Baumwollbaum, dessen Wurzeln die Gestalt von Stützpfeilern haben, unter denen man bequem Platz findet.
    »Da ist ja das Bett schon gemacht! rief Max Huber heiter. Es hat zwar keine elastische Unterlage, doch eine Baumwollmatratze, die wir mit Vergnügen einweihen werden!«
    Mittels Stein und Schwamm, wovon Khamis genügenden Vorrath bei sich führte, wurde nun ein Feuer entzündet. Die Mahlzeit nachher glich freilich ganz der ersten am frühen Morgen und der zweiten gegen Mittag. Leider – man mußte sich eben wohl oder übel damit abfinden – fehlte es gänzlich an Zwieback, der während des früheren Zuges das Brod ersetzt hatte. Man begnügte sich also mit dem gebratenen Fleisch, von dem genug vorhanden war, auch den schlimmsten Hunger zu stillen.
    Nach beendeter Mahlzeit und bevor sich alle unter den Wurzeln des Baumwollbaumes ausstreckten, sagte John Cort zu dem Foreloper:
    »Wenn ich nicht irre, sind wir immer in südwestlicher Richtung hingewandert…
    – Ja, immer, antwortete Khamis; jedesmal, wenn ich die Sonne erblicken konnte, habe ich mich vergewissert, daß wir nicht davon abwichen.
    – Wieviel Lieues haben wir Ihrer Ansicht nach heute wohl zurückgelegt?
    – Vier bis fünf, Herr John, und wenn wir diese Tagesleistung einhalten, werden wir in einem Monate das Ufer des Ubanghi erreicht haben.
    – Das klingt recht tröstlich, meinte John Cort, doch ist es nicht rathsam, dabei auch mit besonderen Schwierigkeiten zu rechnen?
    – Doch auch mit dem Gegentheile, fiel Max Huber ein. Wer weiß denn, ob wir nicht auf einen Wasserlauf treffen, der uns mühelos fortträgt?
    – Bis jetzt scheint das nicht gerade so, lieber Max.
    – Ja freilich, doch nur, weil wir noch nicht weit genug nach Westen vorgedrungen sind, äußerte sich Khamis, und es sollte mich sehr wundern, wenn morgen oder übermorgen…
    – Verfahren wir lieber so, als ob wir an keinen Fluß kämen, erwiderte John Cort. Eine Reise von dreißig Tagen, vorzüglich wenn die damit verbundenen Schwierigkeiten nicht größer sind als die, die uns heute begegneten, eine solche Reise kann doch afrikanische Jäger wie uns nicht erschrecken.
     

    Da legte sich eine Hand auf seine Schulter. (S. 69.)
     
    – Und obendrein, setzte Max Huber hinzu, fürchte ich, daß dieser geheimnißvolle Wald schließlich gar kein Geheimniß

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