Das Dorn-Projekt: Der frühe Homanx-Zyklus, Bd. 3
die Eint machte ihr nicht gerade Mut. »Heißt das, Sie stimmen mit den Grundsätzen des Vertragstextes, so wie sie niedergelegt wurden, nicht überein?«
»Das habe ich nicht gesagt.« Die Eint pflückte einen kleinen dunklen Zweig aus dem Blattwerk in unmittelbarer Nähe und knabberte von dessen Blättern. Ihre Mundwerkzeuge gaben mahlende Geräusche von sich, während sie die fleischige Nahrungspflanze zerkauten. »Ich bin aber der gleichen Meinung wie die Mehrheit der Mitglieder des Rates, den ich repräsentiere: Ihre Spezies und meine pflegen momentan eine perfekt austarierte Beziehung zueinander. Es gibt keinen Grund, diese Beziehung weiter auszubauen, sofern es nicht die AAnn betrifft.«
Anjou beobachtete etwas Kleines, metallisch Wirkendes, das durch das Unterholz der Umgebung huschte. »Wir haben keinen Streit mit den AAnn. Aus diesem Grund können wir Ihnen, die Aann betreffend, nicht mehr Unterstützung versprechen, als wir sie bereits gewähren. Wenn die AAnn in militärischer Weise eine Thranx-Welt angriffen, wäre das natürlich etwas anderes. Dann würden wir auch ohne formellen Militärpakt Hilfe zu leisten - als Gegenleistung zu der Unterstützung, die Sie uns während des Pitar-Krieges haben angedeihen lassen.«
»Ist das so, meine Liebe?« Carwenduved musterte eingehend das Gesicht ihrer Gesprächspartnerin und wünschte sich, sie könnte den Sinn dieses bemerkenswerten Ziehens und Zerrens deuten, das über die flexible Epidermis dieses Zweibeiners lief. »Es existieren keine offiziellen Verlautbarungen in diese Richtung. Sie sind keinesfalls verpflichtet, uns zu unterstützen, so wie wir nicht verpflichtet waren, Ihnen im Krieg gegen die Pitar Beistand zu gewähren. Es gibt kein Abkommen, keinen Pakt, der Ihnen abverlangen würde, uns militärisch beizustehen. Wir haben Ihnen gegen die Pitar geholfen, weil wir davon überzeugt waren, damit das Richtige zu tun. Falls wir uns einem Angriff der AAnn gegenübersähen, käme Ihr Volk dann zu dem gleichen Schluss?«
Als Diplomatin ihres Volkes wollte Anjou diese Frage nicht rundum bejahen, denn das wäre eine Lüge gewesen. Außerdem mochte die Eint ja sogar genau wissen, wovon sie sprach. »Das kann ich nicht beantworten, Carwenduved. Es hinge von den Umständen ab. Ich kann nur sagen, dass die Menschen immer der Ungerechtigkeit entgegengetreten sind, ganz egal, wo diese sich zeigte.«
»Das ist gut zu wissen. Ist das auch so bei denjenigen, die uns als ›Käfer‹ oder ›Schaben‹ bezeichnen und uns am liebsten zertreten würden wie unsere kleinen Namensvettern, die Ihre Welt bewohnen?«
»Gestalt-Chauvinismus ist unter den Thranx ebenso vorhanden wie in meinem Volk. Es ist eine urzeitliche Animosität, die vielleicht irgendwann aussterben wird.«
»Wie sie es auch unter meiner Art sollte.« Die Eint seufzte, ihr Thorax hob und senkte sich heftig. »Aber zurzeit ist es ein existentes Problem, mit dem man umgehen muss.« Sie versuchte sich bequemer auf der Bank hinzusetzen. »Obwohl ich zugeben muss, dass es innerhalb des Rates auch eine Gruppe gibt, die den Ausbau der Beziehungen zwischen unseren Spezies zu beschleunigen wünscht. Doch ist diese Gruppe zahlenmäßig denen unterlegen, die glauben, die momentane Situation sei absolut zufrieden stellend. Sie sehen keine Notwendigkeit, einen breiteren Stollen zwischen unseren beiden Stöcken zu graben. Sie haben Ihre Welten, wir unsere. Und wir haben andere Vorlieben. Wir lieben die Hitze, feuchte Welten mit einem hohen atmosphärischen Sauerstoffanteil. Sie hingegen bevorzugen das Leben in trockenen, kalten Regionen, wo kein Thranx sich lange wohl fühlen kann oder wo wir Spezialausrüstung benötigen, um in den extremen klimatischen Bedingungen überleben zu können. Es gibt keine direkte Konkurrenz zwischen uns. Daher ist es auch nicht notwendig, die Verträge, wie sie ohnehin bereits zwischen uns existieren, zu modifizieren. Die Galaxie bietet viel Platz, und die Erkundung und Ausbeutung anderer Welten dürfte sich nie überschneiden.«
Anjou vermochte ihre Enttäuschung nicht zu verbergen. Sie hatte so hart dafür gearbeitet, dieses Treffen zustande zu bringen, und nun war neben einer wenn auch freundlichen Unterhaltung nichts dabei herausgekommen. Die Eint war höflich, aber standhaft. »Es könnte so viel mehr werden. Die Art und Weise, wie unsere Völker im Pitar-Krieg Seite an Seite standen, zeigt das doch!«
»Mehr werden … in welcher Beziehung mehr, yrriik? Was könnten wir uns
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