Das Dorn-Projekt: Der frühe Homanx-Zyklus, Bd. 3
Augenhöhe mit der Weisen. Die meisten Menschen überragten die Arthropoden turmhoch, nicht aber Fanielle. Ob die Thranx es begrüßten, mit einer Diplomatin die Verhandlungen zu führen, die von gleicher Körpergröße war wie sie, wusste Fanielle nicht. Haflunormet hatte nie eine Bemerkung über ihre Größe gemacht.
»Sie sind der Attache, der um diese Unterredung ersucht hat, nicht wahr?« Der herzförmige Kopf wurde leicht zur Seite geneigt.
»Ich bin Fanielle Anjou, ja. Sind Sie Eint Carwenduved?« Eine einfache Gebärde vonseiten der älteren Thranx war Bestätigung genug. »Ich möchte wirklich dringend mit Ihnen sprechen über…«
Die ehrwürdige Eint unterbrach Fanielle, indem sie die künstliche Echthand hob. »Lassen Sie uns ein Stück gemeinsam gehen und uns bei der Prolerea niederlassen! Wir wollen der Musik der Wassersänger lauschen. Dort können wir uns unterhalten.«
Die Thranx setzte ihre Schritte langsam und bedächtig, als könne jeder Schritt auch ihr letzter sein. So kraftlos und schwach will sie einem gar nicht vorkommen, schoss es Anjou durch den Kopf. Sehr alt, das ist sicher, aber immer noch agil und beweglich. Die Menschen-Diplomatin hoffte, es ließe sich gleiches auch über den Verstand ihrer Gastgeberin sagen.
Sie blieben vor einer kleinen Laube in der Nähe eines der zahlreichen kleinen Wasserfälle stehen. Dieser hier ließ sein Wasser munter über eine Folge metallener Blätter springen und spritzen, und jeder Tropfen, der auf eines der Blätter fiel, brachte einen melodischen Ton hervor. Ein Busch mit dickem Stamm reckte sich hier in die Höhe und war übersät mit unzähligen hell leuchtenden, rosafarbenen und schwarzen Blüten. Der Duft so vieler Blüten, die mit Zimt- und Honigaromen lockten, erschlug einen fast.
Die Eint griff hinauf, pflückte sich eine der Blüten und hielt sie sich nah vors Gesicht. Anjou konnte sehen, wie sich die Vielzahl der Mundwerkzeuge bewegte, als die Thranx das Blüteninnere verzehrte. Nachdem sie die Blüte etwa zur Hälfte gegessen hatte, bot sie den Rest Anjou an.
»Mir wurde versichert, Ihr Volk könne dies hier ohne Risiko verzehren. Darf ich Ihnen etwas davon anbieten?«
Anjou war nicht erbaut von diesem Angebot, aber Diplomaten mussten oft aus beruflichen Gründen über sich hinauswachsen. Sie nahm den Rest der Blüte und sah verschiedene mehrere Zentimeter lange Bestandteile im Blüteninneren, die aus dem Blütenboden sprossen. Fanielle Anjou pflückte einen heraus und hielt ihn der Thranx hin, die daraufhin ermutigend gestikulierte. Der weibliche Mensch schob sich den fremdartigen Blütenstempel in den Mund und biss zaghaft zu.
Ein Geschmacksfeuerwerk der Süße entzündete ihre misstrauischen Geschmacksknospen. Das Fruchtfleisch war so süß, dass es an den Zähnen schmerzte. Während Anjou die Blüte wieder an die Eint zurückreichte, brauchte sie sich nicht mehr zu überwinden, um den Blütenstempel zu zerkauen und zu schlucken. Es schmeckte einfach superb.
»Sehr nahrhaft.« Die Eint verzehrte auch die noch verbliebenen Blütenstempel und ließ die ihres Inneren beraubte Blüte zu Boden fallen. In einem unterirdischen Garten so makellos und blumenüberladen wie dieser würde, das bezweifelte Anjou keinen Augenblick, kein Stückchen Abfall lange liegen bleiben.
»Die Details des Vertrages…«, begann die Menschenfrau, und die verbliebene Süße moussierte immer noch in ihrem Mund. »Haben Sie die Zeit gefunden, diese genauer zu studieren?«
»Sssllcci, in den vergangenen Zeitteilen habe ich wenig anderes getan.« Die Eint streckte eine längere Fußhand aus und legte die vier harten Chitinfinger auf den Bauch der Menschenfrau. »Ich kann mir nicht vorstellen, wie es sich wohl anfühlt, lebend zu gebären. Mir wurde gesagt, es sei schmerzhaft, und das wiederum kann ich mir gut vorstellen.«
»Es ist nicht besonders angenehm.« Anjou war von dem schnellen Themenwechsel unangenehm berührt, versuchte aber nicht, das Gespräch zu forcieren. »In lang vergangenen Zeiten verlief eine Geburt, soweit ich weiß, oft tödlich.«
Die Eint machte eine Geste zurückhaltenden Unglaubens. »Eier zu legen erscheint mir einfacher. Sie treten nicht. Nun, jetzt zu Ihrem Vertrag. Er besitzt viel Substanz. Das bloße Übersetzen hat viel Zeit in Anspruch genommen.«
»Ein Vertrag ist kein Gedicht«, gab Anjou zu. »Nichts darf Fehlinterpretationen erlauben.«
»Ich versichere Ihnen, dass nichts fehlinterpretiert wurde. Alle Einzeldokumente
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