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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Turney
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Morgen mein Fahrrad die kleine Straße hinaufschob, tauchte plötzlich Jago neben mir auf. Offensichtlich spielte er die Handlung eines Filmes nach, den er im Fernsehen gesehen hatte. Er schoss auf imaginäre Feinde, die sich hinter den wild wachsenden Rhododendren an der Straße versteckten, und blies dann angeberisch den Rauch von der Laufmündung seiner unsichtbaren Pistole. Die Hände am Fahrradlenker, sah ich ihn von der Seite an.
    »Du hast sie echt nicht mehr alle«, sagte ich.
    Er lachte. Wie immer nach einem heftigen Streit im Cardell’schen Haus war er glücklich, dass der Hausfrieden – zumindest für eine Weile – wiederhergestellt war.
    Auf dem Hügel angekommen, bogen wir links ab, und ich stützte mich keuchend auf den Fahrradlenker. Ich war mächtig stolz auf mein Rad. Es war ein BMX , das mein Vater einem Kollegen bei der Royal Air Force abgekauft hatte. Ein paar Mal betätigte ich mit dem Daumen die Klingel, aber Jago nahm davon keine Notiz.
    »Hast du Geld dabei?«, fragte er stattdessen.
    »Ne.«
    »Blöd. Sonst hätten wir uns ein Eis kaufen können.«
    Ich schnitt eine Grimasse. Auf der Höhe des Eingangs von Thornfield House angekommen, blieben wir stehen. Zum ersten Mal seit Monaten sah es verändert aus.
    Nach Mrs   Withiels Tod waren die Fenster mit Brettern zugenagelt und das Tor mit Stangen und einem Vorhängeschloss verriegelt worden. Glyzinien rankten sich wild wuchernd an den Mauern empor, und der Garten war zugewachsen, sodass von Rasen, Gartenweg und Auffahrt nichts mehr zu sehen war.
    Jetzt jedoch hatte jemand die Bretter entfernt, ein paar Fenster waren geöffnet. Brennnesseln, Brombeersträucher und junge Bäume waren zurückgestutzt worden, und die abgeschnittenen Äste und das Gestrüpp waren in einer Ecke des Gartens aufgehäuft. Der Plattenweg, der zur Haustür führte, war von Unkraut befreit.
    Jago und ich sahen uns erstaunt an. Er kratzte sich hinterm Ohr.
    »Lass uns reingehen und nachsehen«, sagte er. »Um sicherzustellen, dass keine Diebe drin sind.«
    Er machte ein ernstes Gesicht, zog eine Augenbraue hoch und hatte die Daumen in die Taschen seiner Jeans gehakt. Noch immer spielte er eine Rolle aus dem Film. Jago spielte immer eine Rolle, gab immer vor, jemand zu sein, der er nicht war.
    »Aber was ist, wenn tatsächlich jemand im Haus ist?«
    »Dann fesseln wir ihn und kassieren die Belohnung.«
    Ich lehnte mein Fahrrad gegen die Gartenmauer.
    »Ich finde, wir sollten das nicht tun«, sagte ich. »Wir können doch nicht einfach ein fremdes Haus betreten!«
    »Das ist schon in Ordnung«, meinte Jago. »Ich gehe als Erster, keine Angst.«
    Leichtfüßig wie eine Katze schlich er in seinen schäbigen, ausgetretenen Turnschuhen in den Garten. Ich folgte ihm in einigem Abstand. Der Garten links und rechts der Auffahrt war so dicht mit Pflanzen und überhängenden Ästen bewachsen, dass ich das Gefühl hatte, in ein grünes Meer einzutauchen. Bienen summten in der sommerlichen Hitze, und die Luft war von Blumendüften geschwängert.
    Jago stieß die nur angelehnte Haustür auf. Sie ächzte in den Angeln, und als er die Hand zurückzog, haftete abgeblätterte grüne Farbe an seinem Handballen. Er wischte sie an seiner Jeans ab.
    »Hallo?«, rief er vorsichtig, dann, etwas beherzter, noch mal: »Hallooo!« Aber niemand antwortete. Er blickte über die Schulter zurück und bedeutete mir mit dem Blick, ihm ins Haus zu folgen.
    Ich brauchte einen Moment, bis sich meine Augen an die Dunkelheit im Hausinneren gewöhnt hatten und ich etwas erkennen konnte. Dann nahm ich den geräumigen Flur mit dem gefliesten Boden, der hohen Decke mit den eleganten Stuckrosetten und den Fensterschabracken wahr. Die Luft, die für so lange Zeit eingeschlossen gewesen war, roch noch immer abgestanden, auch wenn jetzt eine leichte sommerliche Brise durch die geöffneten Fenster wehte und die Muffigkeit vertrieb. Eine Fliege trudelte summend durch den Raum. Jago und ich gingen vorsichtig weiter und spähten in die verlassenen Zimmer. Die vereinzelten Möbelstücke waren unter Laken verborgen und warfen Schatten in den breiten, länglichen Streifen staubigen Sonnenlichts, das durch die Fenster hereinfiel. Ein Flügel stand unbedeckt und stolz in der Mitte des Salons.
    Ich wusste, dass sich Mrs   Withiel drei Wochen lang tot im Haus befunden hatte, ehe man ihre Leiche entdeckte. Ich fragte mich, wo genau sie gelegen hatte und ob ich den Platz erkennen würde – vielleicht durch die Aura des Todes,

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