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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Turney
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nicht so verletzen müssen. Sie hatte ihn die letzten Wochen über hingehalten mit ihrem Little-Miss-Perfect-Getue, ihn angelogen und vorgegeben, dass sie noch immer schwanger wäre. Wenn sie ehrlich zu ihm gewesen wäre, hätte ich nicht diese Dinge zu Jago sagen müssen, um ihn von Thornfield House fernzuhalten. Sie war verantwortlich für das, was ich getan hatte. Was war mir denn anderes übrig geblieben?
    »Ich habe ihm gesagt, dass du abgetrieben hast.«
    Ungläubiges Entsetzen spiegelte sich in Ellens Augen. Das geschah ihr recht, sagte ich mir. Sie hatte, ohne Jago ein Wort zu sagen, sein Baby abgetrieben. Sie hatte mich dazu gebracht, ihn zu belügen. Es war ihre Schuld, dass Jago fortgegangen war.
    Ellen starrte mich an, als könnte sie nicht glauben, was ich gesagt hatte.
    »Aber du hast doch versprochen, ihm nichts zu sagen, Hannah! Du hast es geschworen.«
    »Und du hast mir versprochen, dass du es ihm selbst sagen würdest!«, entgegnete ich. »Du hättest es längst tun sollen, Ellen, du hättest ihm die Wahrheit sagen sollen. Wenn du ihn belügen wolltest, dann ist das deine Sache, aber ich konnte es nicht länger. Wusstest du, dass er schon Babysachen gekauft hatte? Dass er eine Wiege gezimmert hatte? Er glaubte die ganze Zeit, dass ihr ein Baby haben würdet, dabei hast du es wegmachen lassen. Weil du ihn belogen hast, hat er ein Phantombaby geliebt!«
    Ellen schlug sich beide Hände vor den Mund.
    »O Gott«, wisperte sie.
    »Es tut mir leid«, sagte ich mit sanfterer Stimme.
    »Mein Gott!«
    Ellen verstummte, dann sackte sie wie eine Puppe in sich zusammen. Sie hockte sich mit gespreizten Beinen auf die Fersen und barg den Kopf zwischen den gekreuzten Armen, während sie sich mit den Händen die Haare raufte. Einen Moment betrachtete ich sie. Wünschte, sie würde aufhören mit ihrem dramatischen Getue. Aber dann wurde mir klar, dass sie nicht schauspielerte. Ellen erlitt vor meinen Augen einen Zusammenbruch.
    Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Verzweifelt blickte ich mich im Zimmer um, als könnte ich im Kamin oder beim Fenster Hilfe finden, aber noch bevor ich einen klaren Gedanken fassen konnte, richtete sich Ellen auf und begann zu schreien.
    Ich bemühte mich, sie zum Verstummen zu bringen. Ich versuchte, sie zu berühren, sie zu halten und zu trösten, aber sie ließ es nicht zu. In ihrem aufgelösten Zustand ließ sie keinen Trost zu.
    Ich hatte Ellen ebenso gründlich zerstört wie Jago.
    Mit dieser Erkenntnis würde ich bis zum Ende meiner Tage leben müssen.

DREIUNDSECHZIG

    N achdem ich mich eine Weile mit Kirsten, Karla und Doreen unterhalten hatte, war ich so erschöpft, dass Karla mich in ein Zimmer im ersten Stock führte, wo ich mich ein wenig ausruhen konnte. Sie zog die schweren Vorhänge vor, und ich legte mich auf das große Bett mit der weichen Matratze, auf der man sich fühlte wie auf einer Wolke. Karla setzte sich zu mir, ohne etwas zu sagen, aber allein ihre Gegenwart war beruhigend, und ich schlief ein.
    Als ich nach einer Weile erwachte, war ich allein. Es wurde Abend. Ich wusch mir das Gesicht und ging hinunter in den Garten. Da niemand zu sehen war, folgte ich einem Fußweg, der zur Elbe hinunterführte. Das lange Gras seitlich des Pfads strich mir um die Knie, und die Abendsonne streichelte mein Gesicht. In der Luft tanzten Nachtfalter und andere Insekten.
    John saß mit vor sich ausgestreckten Beinen auf einem morschen Baumstamm und schälte die Rinde von einem Ast. Ein paar Meter neben ihm rauschte ruhig der breite Fluss vorbei, dessen Oberfläche das Sonnenlicht reflektierte. Mücken tanzten über dem Wasser, und hin und wieder schnappte ein Fisch nach ihnen. Ich setzte mich neben John auf den Baumstamm, der von der Sonne aufgeheizt war.
    »Hi«, sagte ich.
    »Und, konntest du schlafen?«
    »Ein bisschen.«
    Eine Forelle sprang aus dem Wasser, und für einen Augenblick glitzerte das Licht in dem Wasserbogen, den sie beschrieb. Als sie wieder ins Wasser tauchte, bildete sich ein großer Kreis aus konzentrischen Ringen auf der Oberfläche.
    Ich schlang die Arme um mich.
    »Es ist wunderschön hier«, sagte John. »Vorhin habe ich einen Fischreiher gesehen. Einen richtigen Prachtkerl. Ich habe gehört, das soll Glück bringen.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du abergläubisch bist.«
    »Eigentlich bin ich das auch nicht.«
    Ich ließ den Blick über die Landschaft schweifen. Die Blätter begannen, sich zu verfärben, kaum merklich, aber man konnte es sehen. Aus

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