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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Turney
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der Ferne wehten die Geräusche der Stadt heran. Ein Martinshorn oder eine Alarmanlage war zu hören.
    »Ich mag den Gedanken, dass Ellen hier gelebt hat«, sagte ich. »Ich wette, sie war als junges Mädchen auch oft hier unten.«
    »Wie war sie?«
    »Sie war der lebendigste Mensch, den ich je gekannt habe.«
    Wir tauschten ein Lächeln.
    Karla hat mir erzählt, dass sie ein Video von ihr hat«, sagte John. »Ihre Großeltern haben es aufgenommen, als sie noch ein Kind war.«
    »Ich glaube nicht, dass ich schon in der Lage bin, es anzuschauen«, erwiderte ich.
    »Nein, das musst du auch nicht. Das wird jeder verstehen.«
    Eine Weile saßen wir schweigend auf dem umgestürzten Baum und schauten auf den Fluss. Zwei Eisvögel jagten einander übers Wasser, und ihr blaues Spiegelbild flitzte über die Oberfläche. Ich rieb mir die Augen.
    »Und, bist du jetzt so weit, Ellen loszulassen?«, fragte John.
    »Noch nicht ganz. Da ist noch eine Sache, die ich tun muss.«

VIERUNDSECHZIG

    N achdem ich Ellen allein gelassen hatte, ging ich nach Hause zurück. Mum kochte eine Kanne Tee, und wir warteten im Wohnzimmer, bis der Wagen von Rickys Vater vor dem Haus hielt. Mein Rucksack war fertig gepackt, und ich konnte es kaum erwarten, wegzukommen. Ich wollte so weit weg von Trethene und Cornwall wie möglich. Während meine Mutter großes Aufhebens um meine bevorstehende Abreise machte, nahm ich sie kaum wahr, sondern starrte auf die Uhr. Die Minuten verstrichen schleppend langsam. Der große Zeiger brauchte eine Ewigkeit für jede Runde auf dem Ziffernblatt, und das Ticken war mir eine Qual.
    Während wir im Cottage warteten, nahm Ellen den Feuerhaken, denselben, den Mr   Brecht benutzt hatte, als er versuchte, Adam Tremlett zu töten, und zertrümmerte den Flügel.
    Sie zerstörte ihn in aller Gründlichkeit.
    Aber davon wusste ich natürlich nichts.
    Als der Landrover eintraf, küsste ich meine Eltern zum Abschied. Rick und sein Vater stiegen aus und begrüßten sie mit Handschlag, und ich nahm auf dem Rücksitz Platz. Während wir aus der Cross Hands Lane hinausfuhren, winkte ich meinen Eltern durch die Heckscheibe zu, bis sie aus meinem Blickfeld verschwunden waren. Dann lehnte ich mich zurück und sah zu, wie die Lizard-Halbinsel vorüberzog. Ich war so erleichtert, abreisen zu können. Ich hasste diesen Ort und wünschte, ich würde nie wieder zurückkehren. Ricky und sein Vater unterhielten sich. Wenn sie mir eine Frage stellten, antwortete ich höflich, aber die meiste Zeit schwieg ich. Als wir schließlich Cornwall hinter uns ließen und durch Devon in Richtung M 5 fuhren, schlief ich mit meinem zusammengeknüllten Pullover als Nackenkissen ein.
    Einige Zeit später erhielten meine Eltern von Jago eine Postkarte aus New York. Er versicherte ihnen, dass es ihm gut gehe, und versprach, sich wieder zu melden, sobald er eine feste Adresse habe. Nach mir fragte er nicht.
    Danach hörten sie lange Zeit nichts mehr von ihm, erst wieder, als er sich in Neufundland niedergelassen hatte.
    Und ich war in Chile. Ursprünglich hatte ich vorgehabt, nur ein Jahr zu bleiben, doch als sich der Zeitpunkt meiner Rückkehr näherte, konnte ich den Gedanken daran nicht ertragen. Mittlerweile hatte ich mich so an den grandiosen Himmel und die unendliche Weite gewöhnt und fühlte mich als Teil dieses bunt gemischten, multikulturellen Völkchens mit den unterschiedlichsten Sprachen und Persönlichkeiten, das sich an diesem abgeschiedenen Ort zusammengefunden hatte. Ich konnte unmöglich nach Cornwall zurück, allein der Gedanke drohte mich zu ersticken. Also verlängerte ich mein Volontariat um ein weiteres Jahr. Ungefähr sechs Monate nach meiner Ankunft in Chile erreichte mich der besagte Brief von meiner Mutter, in dem sie mir mitteilte, dass Ellen ertrunken war. Von einem Baby war in dem Brief nicht die Rede.
    Karla und Kirsten erzählten mir den Rest der Geschichte.
    Nachdem ich Ellen zurückgelassen und sie den Flügel zerstört hatte, versuchte sie, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Sie stellte ihren Vater bezüglich ihrer finanziellen Situation zur Rede, und er gab zu, dass Thornfield House ganz und gar mit Hypotheken belastet war und sie mehr oder weniger vor dem Bankrott standen. Nachdem Ellen und ihr Vater Mrs   Todd weggeschickt hatten, lebten sie allein in dem viel zu großen Haus. Sie sprachen kaum mehr miteinander und fristeten ein trostloses Leben. Sie lebten wie zwei Einsiedler, und wieder einmal schauten die

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