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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Turney
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nichts. Sie konnten nur Vermutungen anstellen. Ich wusste alles.
    Ich ging an unseren Strand, setzte mich in den Sand und starrte aufs Meer hinaus. Im Geiste flehte ich Jago an, nach Hause zurückzukehren. Dann stellte ich mich in den Sand und streckte die Arme aus, während ich wieder und wieder seinen Namen in den Wind schrie, in der Hoffnung, er würde meine verzweifelten Schreie zu Jago tragen. Aber das tat er nicht.
    Die Minuten wurden zu Stunden und die Stunden zu Tagen. Ich packte meinen Rucksack. Räumte mein Zimmer auf. Und dann blieben nur noch ein paar wenige Stunden, bis Rickys Vater mich abholen würde, um mich und Ricky zum Flughafen nach London zu fahren, wo wir das Flugzeug nach Südamerika besteigen würden.
    Mir graute davor, Ellen noch einmal unter die Augen zu treten. Ich wollte ihr nicht mehr ins Gesicht sehen müssen, wollte ihr nicht sagen müssen, was ich getan hatte, aber ich brachte es nicht über mich, ohne ein Wort des Abschieds abzureisen.
    Noch bevor ich das Tor von Thornfield House erreichte, hörte ich Klaviermusik. Begleitet von dem Klang, schritt ich langsam die Auffahrt hinauf und trat an die Haustür. Irgendwie hoffte ich, es würde etwas passieren, was den Lauf der Dinge änderte, damit ich nicht hineingehen und Ellen gegenübertreten und ihr sagen müsste, was ich getan hatte. Ich schloss die Augen und betete, ein Erdbeben oder ein Flugzeugabsturz oder irgendeine andere Katastrophe möge sich ereignen. Aber nichts geschah. Ich öffnete die Augen, und noch immer war der Tag grau und trist, ein schwülwarmer, dunstiger Sommertag. Mücken schwirrten durch die Luft, und noch immer war Klaviermusik zu hören. Die Tür ging auf, und vor mir stand Mrs   Todd im Sommermantel und mit ihrem mit Hufeisen bedruckten Kopftuch, in den Händen ihre Handtasche und einen Einkaufskorb und einen Regenschirm unter den Arm geklemmt.
    »Bin ich froh, dass du kommst, Hannah«, sagte sie. »Ellen ist sehr niedergeschlagen. Vielleicht kannst du ihr Gesellschaft leisten, während ich im Supermarkt einkaufe.«
    »Ist Mr   Brecht auch da?«
    »Er ist oben.« Mrs   Todd hob den Blick zur Decke, um mir zu bedeuten, dass sich Mr   Brecht direkt über uns aufhielt, im Sterbezimmer seiner Frau. »Seid leise und stört ihn nicht«, fügte sie hinzu.
    Ich betrat den Flur und blieb einen Augenblick unschlüssig vor dem Salon stehen. Die Tür war angelehnt. Seit ich von den Blutflecken auf den Holzbohlen unter dem Läufer wusste, widerstrebte es mir, diesen Raum zu betreten. Mein Herz schlug wie wild. Mit den Fingerspitzen berührte ich die Tür, sie ging auf, und ich machte einen Schritt hinein. Ellen musste den Luftzug gespürt haben, denn sie unterbrach ihr Spiel und drehte sich zu mir um.
    Ihr Gesicht war blass, und ihre dunklen Augen waren von tiefen Ringen umschattet, aber sie lächelte, als sie mich erblickte. Sie stand vom Hocker auf und kam mit ausgestreckten Händen auf mich zu. Sie trug Shorts und ein viel zu großes Kapuzensweatshirt. Ich kannte es, es war eines von Jago. Als sie mich umarmte, schloss ich die Augen.
    »O Hannah«, sagte sie und schmiegte sich an mich, sodass ich ihr Haar an meinem Gesicht spürte und mir dessen leicht öliger und salziger Geruch in die Nase stieg. »Gott sei Dank, dass du gekommen bist!«
    Ich wich ein wenig zurück, und sie musste es bemerkt haben, denn sie ließ mich los. Sie lächelte, ihr breites, offenes Lächeln. Mit den Fingerknöcheln rieb sie sich die Nase und kratzte sich mit der Fußspitze die Kniekehle des anderen Beins.
    »Hier«, sagte ich und hielt ihr mein Geschenk hin. Ich hatte noch keine Gelegenheit gehabt, es ihr zu geben.
    Ellen nahm das kleine in Geschenkpapier gewickelte Päckchen. Ihre Fingernägel waren bis aufs Nagelbett abgekaut. Sie entfernte das Papier. Es war ein Foto von uns beiden an unserem Strand, das in einem herzförmigen Rahmen steckte. Ich hatte ihn selbst gemacht und mit Strandglas verziert.
    »Damit du mich nicht vergisst«, sagte ich, »wenn ich in Chile bin.«
    »Hoffentlich ist es nicht eher umgekehrt«, sagte Ellen. Sie lächelte noch immer, während sie das Foto an die Brust drückte. »Das einzig Schöne, was von meinem achtzehnten Geburtstag bleibt!«, sagte sie.
    Ich rang mir ein mühsames Lächeln ab.
    Ellen stellte die Fotografie auf den Flügel.
    Sie wartete offensichtlich darauf, dass ich ihr Neuigkeiten berichtete.
    »Ich … ich reise heute Nachmittag ab«, sagte ich. »Rickys Vater bringt uns zum

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