Das Drachenkind (Die Drachenschwestern Trilogie) (German Edition)
sie sich bereits gebessert und war gar
nicht mehr im Ausgang gewesen. Sie presste ihre Hände an ihre heißen Wangen,
als ihr auf einmal die Halloweenparty in den Sinn kam, die sie vor knapp sechs
Wochen besucht hatte. So in ihren Kummer versunken hörte sie weder Chili, der
wie wild an der Tür kratzte und eingelassen werden wollte, noch fiel ihr auf,
das plötzlich ein gesummtes Wiegenlied den kleinen Raum füllte.
Fieberhaft
dachte sie nach. Matt hatte ihre Zufallsbekanntschaft geheißen, fiel ihr wieder
ein. Zumindest war er nett gewesen. Und gutaussehend. Und sehr talentiert im
Bett. Bei der Erinnerung daran merkte sie bestürzt, wie sich Hitze von ihrem
Bauch aus in andere Körperregionen verteilte.
„Na
prima“, schimpfte sie. Lustvolle Gedanken konnte sie jetzt definitiv nicht
gebrauchen. Man sah ja, wohin das beim letzten Mal geführt hat. Trübselig
dachte sie, dass der spaßige Teil ihres Lebens wohl vorbei war. So kam es ihr
auf jeden Fall vor. Mist, was sollte sie jetzt nur tun?
Miri
schniefte und stemmte sich hoch, um sich das Gesicht mit kaltem Wasser zu
waschen. Sie blickte in den Spiegel und staunte, dass ihr immer noch ihr
eigenes vertrautes Gesicht mit den kurzen weißblonden Locken und den
dunkelblauen Augen entgegen schaute. Zugegebenermaßen hatte sie rote Flecken
auf der Haut und rotgeränderte Augen vom Weinen, aber sonst war alles wie
immer. Sie legte sich den Waschlappen auf die Stirn und genoss das angenehm
kühle Gefühl. Langsam konnte sie wieder klar denken.
Was
war denn das? Hatte sie in ihrem konfusen Geisteszustand, als sie darauf
gewartet hatte, dass die fünf Minuten vergingen, das Radio angelassen? Sie
konnte sich nicht daran erinnern. Irritiert nahm sie das Tuch vom Gesicht und
hörte genauer hin. Das war Bajuschki Baju, ein Wiegenlied aus ihrer Kinderzeit.
Ihre Mutter hatte das immer gesungen, als sie klein war. Halluzinierte sie etwa
schon? Sie richtete ihren Blick wieder auf den Spiegel. Hinter ihrem
Spiegelbild wirbelten violette und pinkfarbene Nebelschwaden durch den Raum.
Abrupt drehte sie sich um.
„Lance?“,
murmelte sie unsicher.
„Nein,
nicht Lance“, klang eine Stimme in ihrem Kopf. „Erkennst du mich nicht mehr?“
„Maxi?“,
stammelte sie ungläubig. „Aber wie…“
Weiter
kam sie nicht, da sie schon wieder in Tränen ausbrach. Verfluchte
Schwangerschaftshormone, dachte sie und merkte, dass sie gefährlich zwischen
Weinen und hysterischem Lachen schwankte.
„Sch…“,
beruhigte sie die große Drachin und nahm sie in ihre mit schillernden Schuppen
besetzten Arme.
Wie
Lance, der Drache, der Kaja im letzten Jahr begleitet hatte, war auch Maxi ein
Astralwesen. Man konnte sich das mit den Drachen ähnlich vorstellen wie mit den
Schutzengeln. Allerdings waren es Wesen mit einer klar definierten eigenen
Meinung, die sie sich auch nicht scheuten kund zu tun, ob man sie nun hören
wollte oder nicht, und der Fähigkeit, sich zu allen passenden und unpassenden
Zeiten zu materialisieren. Maxi hatte Miri während ihrer Kindheit begleitet und
war nach einem traumatischen Erlebnis aus ihrem Leben verschwunden.
Umso
mehr hatte Miri sich gefreut, als sie Kaja und somit auch Lance kennen gelernt
hatte. Sie war so fasziniert gewesen, als sie Lance auf Kajas Beifahrersitz
entdeckt hatte, dass sie prompt mit ihrem Fahrrad in Kajas Auto geknallt war.
Zum Glück war weiter nichts passiert. Lance war sehr bestürzt gewesen, dass
Miri in der Lage war, ihn zu sehen. Normalerweise war das nämlich nur dem
aktuellen Schützling und eventuell den nächsten Verwandten möglich. Nachdem er
Rat beim Drachenrat gesucht hatte, stellte sich heraus, dass es alle paar
hundert Jahre vorkam, dass drei Frauen, die in enger Verbindung miteinander
standen, die Drachen der anderen sehen konnten. Sie waren sogenannte
Drachenschwestern. So kam es, dass Kaja inzwischen Miris beste Freundin war,
zusammen mit der dritten im Bunde, Sierra. Sierra hatte zwar noch nie zuvor
Bekanntschaft mit einem Drachen geschlossen, sich aber mit ihrer pragmatischen
Art schnell mit Lance Existenz abgefunden. Es war sicher auch hilfreich, dass
sie eine absolute Tiernärrin war und sowieso alles mit vier Beinen unter ihre
Fittiche nahm.
„Aber
was machst du denn hier?“, wollte Miri nun doch wissen, als sie sich, unterstützt
von den leise gesummten Tönen des Wiegenlieds, ein wenig beruhigt hatte.
„Du
hast mich gebraucht“, antwortete Maxi. Ein wenig ausweichend, wie es
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