Das Drachentor
seine Klinge zur Seite. Ehe Alasar zu einem neuen Streich ausholen konnte, raste Helrodirs Schwert wieder auf ihn herab. Er parierte, ging drei Schritte zurück.
Eine Weile trieben sie sich über das Schlachtfeld, schlugen zu, wichen aus. Jeder Atemzug schien eine ganze Minute zu dauern. Allmählich glaubte Alasar eine Art Abfolge in den Hieben des Königs zu erkennen. Er griff gerne von oben rechts an, weil diese Schläge seine stärksten waren; danach war er am schnellsten mit einem Seitenhieb von links. Alasar wusste, wie er parieren musste, noch bevor Helrodir ausholte. Er gewann die Oberhand.
Jetzt war er es, der öfter angriff. Der König mochte geübt sein und seine Kraft war nicht zu unterschätzen, doch Alasar war jung.
Er hätte die ganze Nacht durchkämpfen können. König Helrodir wurde blutrot im Gesicht. Bei jedem Atemzug stieß er die Luft mit einem Grollen aus.
Alasar starrte in sein Gesicht und dachte daran, dass dieser Mann an all seinem Elend Schuld trug. Wegen dieses schwitzenden, abstoßenden Mannes hatte Alasar sein Dorf verlassen. Dieser Mann war es gewesen, den Alasar in den Nächten seiner Kindheit so gefürchtet hatte - er war der Mann, der ihn in seinen Albträumen entdeckt hatte und Magaura -
Der Hass explodierte in seinen Eingeweiden. König Helrodir war schuld an Magauras Tod! Während der König von Haradon mit seiner Familie gefeiert und gelacht hatte, während sie sich an den erbeuteten Reichtümern der Welt erfreut hatten, war Alasars Familie auseinandergebrochen!
Alasar schlug zu, rascher und heftiger, und ignorierte den Schmerz der Erschöpfung. Helrodir ging immer weiter zurück. Dann parierte er einen Seitenhieb von Alasar und riss blitzschnell sein Schwert empor. Anstatt den Schlag abzuwehren, glitt Alasar zur Seite und zog sein Schwert nach vorne. Diesmal blieb das Klirren der zusammenstoßenden Klingen aus. Alasar spürte, wie das Kettenhemd des Königs unter der Wucht des Schlages zerriss. Weich glitt die Klinge tiefer.
König Helrodir stand über das Schwert gebeugt da. Einen bangen Augenblick lang war Alasar dicht neben ihm und hielt das Schwert. Dann zog er es zurück. Helrodir verlor seinen Halt. Seine Knie sackten weg und er fiel auf den Rücken. Mit schwachen Fingern tastete er über den tödlichen Schnitt unter seinem Brustkorb, doch seine Augen blickten bereits ins Leere.
Alasar ließ sich neben ihm nieder und drehte sein Gesicht zu sich. »Sieh mich an. Sieh mich an! Ich will, dass du weißt, wer ich bin, bevor du krepierst.«
König Helrodir keuchte. Sein Atem rasselte, doch er fand seine Stimme nicht mehr.
»Ich bin der, der deine Frau töten wird. Und deine Kinder erschlägt! Ich bin der, der auf deinem Thron sitzen wird und die Gräber deiner Ahnen entweiht!« Alasar war dicht an Helrodirs Gesicht. Dann merkte er, dass er nicht mehr lebte. Das Einzige, was sich noch in seinen Augen bewegte, war Alasars Spiegelung.
Er ließ ihn los und blieb im Schnee sitzen, um sich auf diesen Moment zu konzentrieren. Zehn Jahre lang hatte er mit Schweiß, mit Blut für das hier bezahlt.
Mit einem heiseren Seufzen drückte er sich Daumen und Zeigefinger gegen die Nasenwurzel. Nun hatte er seinen Triumph also. Er hatte sich gerächt. Nie hatte Alasar die Leere seines Lebens so deutlich gespürt wie jetzt.
Da saß er nun, neben der Leiche seines Erzfeindes, und hatte nach der Erfüllung seines Ziels doch weniger als zuvor. Wofür würde er jetzt kämpfen - und leben -, wenn er sich nicht mehr an seiner Rache festhalten konnte …
Aber nein - nein, er ließ diese Gedanken nicht zu. Zwar war die haradonische Armee nun kopflos, doch auch die Krallen eines sterbenden Löwen sind scharf. Jetzt musste er sich darum kümmern, die Armee zu vernichten. Und was danach kam …
Alasar drückte sich fest beide Handballen auf die Augen, dann wischte er sich übers Gesicht und stand auf. Blinzelnd sah er sich nach einer haradonischen Fahne um, in die er König Helrodirs Leiche wickeln konnte. Später würde er ihn ins Lager bringen und Ardhes zeigen. Bestimmt würde sie erfreut sein. Ihre Freude musste für sie beide reichen.
Als er sich umdrehte, traf sein Blick auf Tivam, der zehn Schritte entfernt seinen Bogen spannte. Sein Pfeil - deutete auf Alasar.
Alasar öffnete den Mund. Er hörte ein feines Zischen in der Luft, dann durchfuhr ein Stich seine Brust. Er taumelte einen Schritt zurück. Aus tränenden Augen starrte er an sich hinab: Ein Pfeil steckte in ihm. Er keuchte. Das
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