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Das Drachentor

Titel: Das Drachentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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Blut pochte durch seine Schläfen, als wolle es sie sprengen. Schmerzerfüllt blickte er zu Tivam auf.
    Tivam rannte fünf Schritte näher und spannte seinen Bogen erneut. Unter seinen Füßen wirbelten die durchsichtigen Körper von Drachen zu Staub auf. Sein Pfeil traf Alasar in den Hals.
    Die Welt schien umzukippen. Himmel und Erde rotierten um Alasar, bis er hart in den fleckigen Schnee fiel. Er rang vergeblich nach Atem. Blut kroch ihm aus der Nase. Durch Drachenstaub und Nebel sah er Tivam auf sich zuschreiten. Nein, es war nicht Tivam … Er war es. Rahjel!
    Alasar wollte seinen Namen sagen, doch er brachte nur ein Ächzen zustande. Rahjel war zurückgekehrt. Sein Freund, sein Bruder war zurückgekehrt, um ihn zu sich zu holen. Er vergab ihm alles …
    Tivams Tränen tropften neben Alasar zu Boden. »Du bist nicht der Einzige, der warten kann.« Schniefend umklammerte er seinen Bogen, als er beobachtete, wie sich Alasars Gesicht im Tod entspannte. »Jetzt haben wir alle unsere Rache.«

Tore
    Der Wind stob rötliche Schneeflocken über Yelanah hinweg. Sie kniff die Augen zusammen. An ihren Wimpern, Augenbrauen und Haaren hatten sich winzige Eissterne festgesetzt. Doch die Kälte war fern, ausgeblendet vom Schmerz ihrer Wunde. Und vom Schmerz darüber, was sie sah.
    Alles war so eingetreten, wie Octaris es beschrieben hatte. Im mächtigen Strom der Sterbenden hatten sich die Tore der Welten geöffnet und die Drachen lösten sich auf. Über dem kilometerweiten Gemetzel hingen Wolken aus Licht, die sich rasch im Wind verflüchtigten. Mehr war von den Drachen nicht übrig geblieben. Nach diesem Tag würde es sein, als hätten die Drachen niemals existiert. Und in hundert Jahren würde man sie für einen Mythos halten.
    Tränen liefen Yelanah übers Gesicht, aber sie verschafften ihr keine Linderung. Es ging nicht mehr um sie. Ihr Leben war zu Ende. Und sie würde mit dem Wissen sterben, dass ihre Welt mit ihr im Dunkel der Vergessenheit versank.
    Das erste Mal seit Stunden, wie ihr schien, wandte sie sich von der Schlacht unter ihr ab und blickte zurück. Rings um das Schlachtfeld hatten sich fleckige gelbe Nebelschleier gebildet wie Schorf um eine blutige Wunde. In der Ferne wanderten die letzten Drachen schemenhaft durch den Dunst. Manche sahen zu Yelanah zurück.
    Über dem immer leiser werdenden Ruf der Unwirklichkeit hing eine zarte Melodie … Yelanah erkannte den Gesang der Elfen wieder.
    Schwerfällig richtete sie sich auf. Was taten die Elfen hier? Aus den Nebeln löste sich eine Gestalt. Der Saum seines Mantels und seine Haare vereinten sich mit den Schleiern der Unwirklichkeit, als Khaleios auf Yelanah zutrat.
    »Die Elfen verschwinden auch?«, flüsterte sie erstickt.
    »Unser Reich geht unter. Nach diesem Tag werden die Tore zwischen den Ebenen sich nie wieder öffnen. Wir wählen unseren Platz jenseits der Wirklichkeit.« Er streckte die Hand nach ihr aus. Yelanah sah, dass sie durchsichtig war - so wie ihre eigene. »Komm mit uns, Tochter. Nichts hält dich mehr in der Welt der Menschen.«
    »Doch«, erwiderte Yelanah leise. Sie blickte zur Schlacht zurück.
    »Revyn würde dem Ruf nie folgen. Ich muss auf ihn warten.«
    »Der Menschenjunge ist längst tot!«
    »Nein.« Yelanah biss sich fest auf die Unterlippe. »Das ist nicht wahr!«
    »Und du wirst auch sterben, wenn du länger zögerst. In der Welt der Unwirklichkeit spielt deine Wunde keine Rolle … aber wenn du jetzt nicht kommst, dann stirbst du, und kein Weg führt aus dem Jenseits zurück, Yelan.«
    »Na und?! Ich will nicht unwirklich werden, ein Geist unter Geistern, die weder tot noch lebendig sind!«
    Ein feiner Sog ließ Khaleios’ Kleider wehen. »Ob in dieser Welt oder einer anderen, Geister sind wir immer. Auch in der Welt der Menschen harren alle Wesen in Stille aus, nur manchmal berührt von Augenblicken des Lebens.«
    Yelanah ließ den Kopf in den Schnee sinken und schluchzte lautlos. »Ich gehe nicht ohne ihn.«
    »Du weißt, wohin du gehörst, meine Tochter … wählst du einen Menschen und den Tod statt deiner Welt und den Dar’hana ?« Lange schwieg Khaleios. Yelanah sah ihn nicht an, doch sie spürte seine Anwesenheit, seinen Blick, der durch die Nebelwände der Welten zu ihr drang. Dann stieß er ein Seufzen aus und wandte sich ab. »Unser Kampf ist vorbei, Yelan. Ich habe aufgegeben und beuge mich dem Schicksal, das Ahiris mir auferlegt. Auch du solltest aufgeben, anstatt dich selbst zu verlieren.«
    »Was ist mit dem

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