Das Drachentor
Jungen zeigen könnt, dass ihr die Besten seid. Du bist eine Ausnahme, denn soweit ich weiß, glänzt du nicht im Schwertkampf oder im Lanzenwurf, sondern im Umgang mit den Drachen, nicht wahr?« Bevor Revyn antworten konnte, fuhr Meister Morok fort: »Ich habe mit Korsa gesprochen. Es wäre gut, wenn du etwas mit den Drachen vorführen könntest. Mit den wilden Drachen. In zwei Wochen soll das Turnier stattfinden.« Revyn hatte wirklich keine Ahnung, woran Meister Morok dabei dachte. Aber schließlich war das nichts Neues.
Nach einem väterlichen Schulterklopfen wandte Meister Morok sich ab, um seinen Weg durch die Halle fortzusetzen. »Vernachlässige dein Erscheinungsbild nicht, Revyn. Die Gunst des Königs hat schon so manchem Krieger zu Ruhm und Reichtum verholfen und blaues Blut liebt nun mal die Reinlichkeit!« Damit und mit einem letzten Lächeln ließ Meister Morok ihn stehen. Kein Wort über die Vergangenheit. Nichts über seine seltsame Flucht, nichts über den gestohlenen Palagrin und den Rest von Revyns düsterer Vorgeschichte, von der Meister Morok nur allzu viel wusste. Stattdessen ein nasser Waschlappen und ein Turnier. Und ebenso plötzlich, wie er erschienen war, war Meister Morok wieder zwischen den badenden Kriegern verschwunden.
Endlich wieder angezogen und auch ein bisschen sauberer, ging es für die Drachenkrieger weiter in den Speisesaal zum Frühstück.
Die meisten Männer waren guter Laune und ließen sich von den ahnungslosen neuen Köchen und Küchenhilfen doppelte Portionen geben. Als Revyn sich zu Capras, Twit und Jurak setzte, fiel ihm sofort der Unterschied zwischen ihren Schüsseln auf: Während Capras sich gut ein Kilo Haferschleim hatte geben lassen, löffelte Twit an einer regelrechten Hungerration. Insgesamt machte Twit einen ungewöhnlich angespannten Eindruck: Er aß nicht nur, als müsse er sich gleich übergeben, sondern war auch so bleich. Mit dem hellen Haar, sorgsam zurückgekämmt, ähnelte er mehr denn je einem weißen Frettchen.
»Was ist denn mit dir los?«, fragte Revyn mit einem sorgenvollen Blick. Capras lachte auf, schloss aber gleich wieder den Mund, weil ihm Haferschleim über das Kinn lief.
»Was los ist?« Twit klang leise und gereizt - eine Mischung, die überhaupt nicht zu ihm passen wollte. Sein Blick irrte von Revyn zu Capras und Jurak. »Heute trifft unser König ein! Wir werden ihn alle sehen und er wird uns sehen! Ihr Trottel habt das vielleicht noch nicht begriffen, aber für manche von uns wird das die Chance.«
»Auf was denn?«, wollte Jurak wissen, einerseits bemüht, ehrlich interessiert zu klingen, und andererseits versucht, Capras’ verstohlenes Grinsen zu erwidern.
»Die Chance, ein großer Krieger zu werden, du Genie. Wenn der König nur sehen könnte, wie ich die Kampfkunst beherrsche und wie groß meine Vaterlandsliebe ist …« Twits blasse Augen funkelten hoffnungsvoll und seine Faust schloss sich fest um den Löffel. »Ihr werdet die Möglichkeiten verschlafen, die ihr nebenbei bemerkt gar nicht habt, aber ich habe Ziele.« Entschlossen bohrte er seinen Löffel in den Haferschleim.
»Hm-hm«, meinte Capras zwischen zwei großen Bissen. »Bescheiden, strebsam und vorbildlich, wie du bist, wird der König dich bestimmt zum Ritter schlagen. Wart mal, wenn du weiterhin solche Portiönchen isst und dir die Haare mit Rindertalg nach hinten schmierst - dann nimmt der König dich sogar in den Kreis seiner Hofdamen auf! Von denen kannst du bestimmt noch was lernen. Was für eine glorreiche Zukunft, dann bist du nicht nur der stärkste Krieger von Haradon, sondern auch noch das hübscheste Fräulein unter den Adligen, und wer weiß, vielleicht -«
»Halt endlich die Klappe!«, blaffte Twit, und ein tiefes, wütendes Rosa vertrieb seine Blässe.
»Aha, jetzt hast du endlich wieder Blut im Hirn. Kannst du jetzt wieder klar denken?«
»Bleib mir heute mit deinen Witzchen vom Leib«, knurrte Twit. Dann rührte er schweigend in seinem Haferschleim, bis das Frühstück beendet war und sie sich vor dem Rathaus versammeln sollten. Mehrere Zähmer und Stallburschen brachten Reitdrachen aus den Ställen, damit die Krieger den König gebührend empfangen konnten. Auch Revyn musste helfen, die Drachen auf den großen Platz zu bringen. An langen Zügeln führte er sie ans Tageslicht, teilte sie verschiedenen Kriegern zu und half den Männern beim Aufsteigen. Nach einer guten halben Stunde hatte schließlich jeder Krieger einen Drachen. Es war ein
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