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Das Drachentor

Titel: Das Drachentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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an, die der Drache so hasste, und betete mit jeder Schnalle, die er zuzog, dass sie Palagrin schützen mochten. Dann schwang er sich auf seinen Rücken, nahm seinen Platz in den vordersten Reihen der Drachenkrieger ein und wartete reglos auf ihren Aufbruch.
    Die Zeit schien stillzustehen. Revyn kam es vor, als würde die Sonne jenseits des kalten Morgendunstes am gleichen Fleck hocken bleiben. Die ganze Welt war in kränkliches Weiß getaucht. Revyn schloss die Augen, damit der schmerzende Druck in seinem Kopf nachließ, und versuchte, sich auf seinen Körper zu konzentrieren. Er ließ die Hände locker und entspannte sich. Aber schon einen Augenblick später umklammerten seine Finger Palagrins Mittelhorn wieder so fest, dass seine Knöchel hervortraten.
    Endlich ging es los. Den Drachenkriegern liefen nur die Trommler und Hauptmänner voran - und natürlich die kleine Eskorte des Königs von Haradon. Er fuhr auf einem eigenen Drachenwagen, links und rechts flankiert von Bannerträgern und einem Dutzend Leibwächter und Generäle.
    Das Heer bewegte sich erstaunlich leise. Lediglich das Klirren der Waffen, das Schnauben der Tiere, das Dröhnen ihrer Schritte vereinten sich zu einem monotonen Rauschen.
    Endlos erschien Revyn der Marsch durch die grüne Einöde. Noch immer blieb die Sonne so fahl, als wolle sie für diesen Tag nicht leuchten. Wie im Traum hielt Revyn sich auf Palagrins Rücken. Alles, was er fühlte, war die Weichheit in seinen Gliedern und die Gewissheit, dass er damit keinen einzigen Schwerthieb ausführen konnte. Immer wieder trugen seine Gedanken ihn zurück zu Prinzessin Ardhes … und zu seiner Kindheit. Bilder stiegen in ihm empor, seine Mutter, wie sie an ihrem Webstuhl saß, ihre Hütte am Rand des Dorfes mit dem wilden Gemüsebeet, das im Wind wogende Gräsermeer … Doch zu all diesen Erinnerungen fehlten die Gefühle. Es war, als sähe er einen Sänger, ohne ihn zu hören.
    Erst der Ruf der Hörner zerrte ihn in die Gegenwart zurück. Das Heer kam zum Stillstand, und es dauerte mehrere Sekunden, ehe Revyn sie entdeckte: die endlose Menschenschlange.
    Beim Anblick des myrdhanischen Heeres verkrampfte sich sein Herz, wie so viele andere Herzen hinter ihm in diesem Moment. Sein Blick irrte über die Reihe, die ihnen in der Ferne gegenüberstand. Vielleicht sah er jetzt schon seinen Mörder - oder den Mann, den er töten würde. Erst nachdem dieser Gedanke ihn eine Weile gelähmt hatte, fiel ihm das auf, was die anderen Krieger um ihn herum schon längst bemerkt hatten: Die gegnerischen Drachenkrieger waren nur halb so zahlreich wie sie.
    »Ein Kinderspiel!«, hörte er irgendwo rufen. Erleichtertes, raues Lachen erhob sich. Revyn packte Palagrins Mittelhorn so fest, als müsse er ganz alleine auf das feindliche Heer zustürmen.
    Mittlerweile war der Wagen des Königs vorangefahren und in der Mitte des weiten Feldes traf er auf einen zweiten. Die Soldaten verstanden die Worte nicht, die die beiden Könige wechselten. Eine Ewigkeit schien zu verstreichen, bis Revyn sich schon fragte, ob die beiden Könige so ausdauernd über ihren Krieg reden konnten wie Twit. Doch als die Wagen endlich kehrtmachten, erhob sich lauter Jubel, und die Fußsoldaten weiter hinten trommelten mit ihren Speeren gegen die Schilde. Rasch öffnete sich eine Schneise im Heer, durch die der König an den äußersten Rand seiner Krieger fuhr, ja, flüchtete , wie es Revyn schien.
    Er wandte sich wieder mit aller Konzentration nach vorne. Nichts, kein Vordermann, keine weitere Kriegerreihe war zwischen ihm und dem Heer gegenüber. Die Hauptmänner der Städte ritten zu ihren Truppen. Korsa zügelte seinen Drachen direkt vor Logonds Kriegern und zog den Helm vom Kopf. Nie hatte Revyn sein Gesicht so eisern und verbissen gesehen - es war, als hätte man seine Augen durch Steine ersetzt.
    »Nun ist der Zeitpunkt gekommen, euren Mut und die Kraft von Haradon, vor allem aber von Logond zu beweisen!«, rief er, während sein Blick durch die Reihen der Krieger glitt. »Kämpft für euer Land! Kämpft für eure Ehre! Kämpft wie unsere Väter vor uns, auf dass ihr Ruhm fortgesetzt werde! Und vergesst nicht: Große Kriege machen große Helden!«
    Die Drachenkrieger stießen einen einzigen, dröhnenden Hurraruf aus. Revyn biss die Zähne aufeinander, dann klappte er mit nervösen Fingern seinen Helm zu. Schon sah er nicht mehr als den schmalen Streifen des feindlichen Heeres, den sein Augenvisier ihm gewährte.
    Abermals ertönten die

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