Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Drachentor

Titel: Das Drachentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
Vom Netzwerk:
verzweifelt in der meilenweiten Stille. Der Drache war zu erschöpft, um ein beruhigendes Schnauben von sich zu geben. Unverändert setzte er seinen Weg fort. Revyn murmelte ein paar Flüche oder Gebete und ließ sich wieder gegen den Drachenhals sinken. Die Dunkelheit hüllte ihn ein wie ein warmer Mantel.
     
    Lichter tanzten in vielen kleinen Punkten über ihn hinweg. Revyn stöhnte. Jemand zupfte energisch an seinen Zöpfen. Er blinzelte und kniff die Augen zu, als ihm eine warme Atemwoge über das Gesicht strich.
    »Ja, ja … ich stehe auf. Ich stehe ja auf.« Sachte schob er Palagrins Nüstern von sich weg und richtete sich auf. Eine heiße Schmerzwelle wälzte sich durch seinen Arm und seine Schulter. Mit zusammengebissenen Zähnen wartete er das Stechen ab, dann sah er sich um. Rings um sie erhoben sich Buchen und Birken. Neben Revyn bahnte sich ein kleiner Bach durch das Unterholz. Wie weit musste Palagrin gestern wohl gelaufen sein? Sie waren ja wieder in den Wäldern von Haradon. Mit einem Ächzen ließ Revyn sich in Richtung Bach sinken und schöpfte aus der Strömung. Das Wasser war angenehm kalt und vertrieb nach einigen Schlucken den säuerlichen Geschmack in seinem Mund. Als er sich mit den nassen Händen über das Gesicht rieb, färbten sie sich rot. Vorsichtig begann er, sich Wangen, Stirn, Nacken und Hals zu waschen, doch das getrocknete Blut schien zum Glück nicht seins zu sein.
    Nicht so glimpflich war sein rechter Arm davongekommen. Die Wunde war tiefer, als er gedacht hatte: Das Schwert hatte einen fingerlangen und fingerbreiten Schnitt hinterlassen, um den das Fleisch dick angeschwollen war. Revyn riss sich den Hemdärmel unter dem Harnisch ab, wusch sich behutsam den Arm und verband die Wunde, so gut es ging, mit dem Stoff. Viel besser fühlte er sich danach aber nicht.
    Um ihn herum lagen die Pfeile und der Bogen, fast so, als sei er letzte Nacht mit ihnen zusammen von Palagrin heruntergefallen. Er sammelte die Pfeile ein und schwang sich den Bogen quer über den Rücken.
    »Palagrin«, murmelte er und streckte den gesunden Arm aus. »Hilf mir.« Geduldig wandte der Drache ihm die Seite zu und half ihm auf den Rücken. Obwohl sich Revyn dabei mehr als tollpatschig anstellte, bewegte Palagrin sich mit äußerster Vorsicht.
    »Wohin reiten wir jetzt?« Revyn ließ den Blick schweifen. Er wusste nicht mehr, aus welcher Richtung sie gekommen waren, und schon gar nicht, wo das haradonische Lager sein mochte. Doch Palagrin gab mit einem ruhigen Schnauben zu verstehen, dass er wisse, wohin er ihn führte.
    Während sie unterwegs waren, versuchte Revyn, seine Gedanken zu ordnen. Das Heer war sicher noch in Myrdhan. Vielleicht führte Palagrin ihn zurück, vielleicht lief er aber auch einfach den Libellen nach, die hier und da durch die Schatten des Waldes schwirrten. Ob die Haradonen die Schlacht gewonnen hatten? Womöglich waren sie weitermarschiert zur Hauptstadt Isdad. Wie sollte Palagrin sie da finden … Revyn schüttelte den Kopf. Früher oder später würde er schon sehen, wo sie ankamen.
    Sein Blick wanderte durch das tiefe Dickicht. So weit das Auge reichte, bildeten Licht und Dunkelheit ein verschwommenes Mosaik.
    Sie rasteten an einem breiten Fluss. Revyn wusch sich den fiebrigen Schweißfilm vom Gesicht und fand einen Beerenstrauch am Ufer. Die Früchte waren klein und sauer und machten ihn nur noch hungriger.
    Allmählich warfen die Bäume längere Schatten. Die Vogelrufe vereinten sich zu einem Orchester. Als die ersten Glühwürmchen durch das Dämmerlicht schwirrten, machten die beiden halt. Palagrin ließ sich dicht neben Revyn nieder, schnaubte ihm zu und legte den Schwanz um ihn wie einen breiten, schützenden Arm.
    »Ach Palagrin …« Welches Glück hatte er doch, einen Gefährten wie Palagrin zu haben. Der Schmerz in seinem Oberarm und der Hunger wurden bald vom leisen Plätschern des Flusses davongetragen.
    Sie erwachten in dichtem Nebel. Revyn konnte gerade noch den Fluss erkennen, doch das gegenüberliegende Ufer verschwamm bereits in blassweißen Schleiern.
    Palagrin half Revyn auf seinen Rücken und lief zielsicher los.
    Wie still und unheimlich es war! Der Wald schien vollkommen verschluckt vom Nebel. Es schien, als weiche der trügerische Dunst erst, wenn Palagrin die Krallen auf dem Moos aufsetzte. Ein Habicht flatterte direkt vor ihnen durch das Unterholz. Das leise Flüstern des Flusses verriet ihnen den Weg.
    Revyns Magen grummelte. Nachdenklich schloss er die Hand

Weitere Kostenlose Bücher