Das Dschungelbuch - Erst ich ein Stück, dann du : Klassiker für Kinder
den Augen lassen.“
„Ja, ja“, sagte Baghira und gähnte gelangweilt. „Besonders wenn du schläfst. Und damit verbringst du schließlich den überwiegenden Teil deiner Zeit.“
„Und wie sieht es bei dir aus?“, rief Balu zornig.
„Schläfst du etwa nie?“
„Natürlich tue ich das“,
gab der Panther zurück.
„Allerdings habe ich auch nicht behauptet, Mogli vor den Gefahren des Dschungels beschützen zu können.“ Balu kniff die Augen zusammen. Dann setzte er sich in Bewegung, lief auf den Baum zu und begann, sich an dessen Stamm zu kratzen und zu reiben. Blätter, Zweige und Äste wippten heftig auf und ab, bis es Baghira schließlich zu bunt war und er mit einem Satz auf den Felsen hinuntersprang.
„Wir können uns die Aufgabe ja teilen“,
schlug Balu vor
und blinzelte den Panther schelmisch an.
„Was hältst du davon?“
Baghira warf einen Blick auf Mogli
und nickte.
„Das halte ich für eine gute Lösung“, sagte Akela. „Menschen sind sehr klug. Vielleicht wird Mogli uns später einmal nützlich sein.“
Die Wölfe schwiegen. Die meisten von ihnen waren nicht Akelas Meinung, wagten aber nicht, ihm zu widersprechen. Und so wuchs Mogli in der Wolfsfamilie heran. Vater Wolf weihte ihn in die Geheimnisse des Dschungels ein und erklärte ihm, dass er nicht zum Vergnügen jagen durfte, sondern nur, wenn er wirklich Hunger hatte. Die Wolfsmutter zog ihn ebenso liebevoll auf wie ihre eigenen Jungen, die Mogli schon bald als ihren Bruder betrachteten.
Am liebsten spielte Mogli
mit dem kleinen Grauen.
Sie tollten über den Felsen,
versteckten sich im Dschungel
und rauften zum Spaß miteinander.
Balu und Baghira sahen jeden Tag nach Mogli und warteten geduldig ab, bis er groß genug war, um ihm all die Dinge zu zeigen, die er von den Wölfen nicht lernen konnte.
Baghira trug Mogli stundenlang auf seinem Rücken durch den Dschungel und brachte ihm das Klettern bei. Der Panther sprang auf einen Baum, streckte sich auf einem Ast aus und forderte den Menschenjungen auf, ihm zu folgen. Anfangs war Mogli noch vorsichtig, umklammerte ängstlich jeden Zweig und bewegte sich so langsam wie ein Faultier. Doch schon bald wurde er mutiger und schwang sich durch die Baumkronen, als ob er ein Affe wäre.
„Jetzt bin ich dran“, sagte Balu.
„Bäume sind schließlich
nicht nur zum Klettern da.“
Der Bär zeigte Mogli, wie er sich an der schorfigen Rinde den juckenden Pelz schubbern konnte. Außer Honig schlecken, auf dem Rücken durch den Fluss treiben und den Tag einen guten Mann sein lassen, war das nämlich Balus Lieblingsbeschäftigung. Doch er brachte Mogli auch viele nützliche Dinge bei.
So erklärte er ihm, dass er die Bienen erst höflich um Erlaubnis bitten musste, bevor er ein wenig von ihrem Honig stibitzte, dass es höchst unklug war, einen Dschungelbewohner aus seiner Ruhe aufzuschrecken, und dass die giftigen Wasserschlangen es überhaupt nicht leiden konnten, wenn man unerlaubt in ihren Teich hineinhüpfte.
Außerdem zeigte der Bär ihm, wie man Nüsse knackte und dass Früchte ebenso gut schmeckten wie Fleisch.
Balu war sehr zufrieden mit Mogli.
„Heute lernst du das Wichtigste“,
sagte er eines Tages.
Mogli sah den Bären erwartungsvoll an.
„Heute lernst du die Sprache der Tiere“,
sagte Balu.
„Aber die kann ich doch schon längst“, erwiderte Mogli. Er hatte keine Lust mehr, ständig neue Dinge zu lernen. Lieber ritt er auf Baghiras Rücken oder kletterte mit dem Panther in den Bäumen herum.
„Nein“, sagte Balu streng. „Bisher kannst du nur Wölfisch, Bärisch und … na ja, die Panthersprache. Viel wichtiger ist es aber, dass du dich mit Raubvögeln und Schlangen verständigen kannst“, fuhr er nun wieder ein wenig sanfter fort. „Damit sie dich nicht als Feind ansehen, musst du ein paar wichtige Worte lernen.“
„Aha“, grummelte Mogli. „Welche Worte sind das?“ Gelangweilt riss er einige Schilfstängel ab und flocht sie zu einer Kugel. Balu nahm sie ihm aus der Hand und warf sie hoch in die Luft, wo sie von einem Affen aufgefangen wurde, der sich gerade von einem Baum zum nächsten schwang.
„Und jetzt hör gut zu“, mahnte der Bär.
„Die Worte lauten:
Du und ich, wir sind vom gleichen Blut.
Hast du das verstanden?“
Mogli nickte.
„Dann wiederhole es“, sagte Balu.
Mogli seufzte, aber er tat, was der Bär von ihm verlangte, und übte diese wichtigen Worte in allen
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