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Das dunkelste Blau

Das dunkelste Blau

Titel: Das dunkelste Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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Ast herum; er machte einen neuen Stiel für die Hacke, die ihm an diesem Tag kaputtgegangen war. Isabelle stand bewegungslos vor ihm. Sie hatte so leise gesprochen, daß sie dachte, sie würde es noch einmal sagen müssen. Sie öffnete schon den Mund, als er sagte: Dann werdet ihr mich also alle verlassen.
    – Es tut mir leid, Papa, aber er sagt, er will hier nicht wohnen.
    – Ich würde keinen Tournier in mein Haus lassen. Dieser Hof geht nicht an dich, wenn ich sterbe. Du bekommst deine Aussteuer, aber den Hof vermache ich meinen Neffen drüben in l’Hôpital. Kein Tournier wird jemals mein Land bekommen.
    – Die Zwillinge werden aus dem Krieg zurückkommen, meinte sie und kämpfte mit den Tränen.
    – Nein. Sie werden sterben. Sie sind keine Soldaten, sondern Bauern. Du weißt das ganz genau. Zwei Jahre und kein Lebenszeichen von ihnen. Viele sind hier vorbeigekommen aus dem Norden und keine Nachricht.
    Isabelle ließ ihren Vater auf der Bank sitzen und ging über ihre Felder, am Fluß entlang, zum Tournierschen Hof. Es war spät, das Tageslicht war schon in Dämmerung übergegangen, und lange Schatten streckten sich an den Hügeln entlang und überdie terrassenförmigen Felder mit dem noch niedrig stehenden Roggen. Ein Schwarm Stare sang in den Bäumen. Der Weg zwischen den beiden Höfen erschien nun lang, Etiennes Mutter am Ende. Isabelle ging langsamer.
    Sie hatte die leere cleda der Tourniers erreicht; die Kastanien waren längst getrocknet, als sie den grauen Schatten zwischen den Bäumen hervortänzeln und sich ihr in den Weg stellen sah.
    – Sainte Vierge, aide-moi , betete sie automatisch. Der Wolf beobachtete sie, seine gelben Augen leuchteten hell trotz der Dämmerung. Als er sich auf sie zubewegte, hörte Isabelle eine Stimme in sich: Laß dies nicht mit dir geschehen.
    Sie bückte sich und hob einen großen Ast auf. Der Wolf blieb stehen. Sie richtete sich auf und ging vorwärts, den Ast schwenkend und schreiend. Der Wolf begann zurückzuweichen, und als Isabelle so tat, als würde sie den Ast werfen, drehte er sich um, sprang zur Seite und verschwand im Gebüsch.
    Isabelle rannte vom Wald weg und über ein Feld; der Roggen schnitt in ihre Waden. Sie erreichte den pilzförmigen Felsen, der das Ende des Tournierschen Küchengartens markierte, und hielt an, um zu verschnaufen. Ihre Angst vor Etiennes Mutter war verschwunden.
    – Danke, Maman, sagte sie leise. Ich werde es nicht vergessen.
    Jean, Hannah und Etienne saßen am Fenster, Susanne räumte die Reste ihrer bajanas ab, die gleiche Kastaniensuppe, die Isabelle vorhin ihrem Vater vorgesetzt hatte, und dunkles duftendes Brot. Alle vier erstarrten, als Isabelle eintrat.
    – Was gibt’s, La Rousse? fragte Jean Tournier, als sie in der Mitte des Raumes stand; ihre Hand ruhte wieder auf dem Tisch, als wolle sie sich einen Platz unter ihnen sichern.
    Isabelle sagte nichts, sondern sah Etienne fest an. Schließlich stand er auf und stellte sich an ihre Seite. Sie nickte, und er drehte sich um, stand seinen Eltern gegenüber.
    Der Raum war still. Hannahs Gesicht war wie Granit.
    – Isabelle wird ein Kind bekommen, sagte Etienne mit leiser Stimme. Mit eurer Erlaubnis möchten wir heiraten.
    Es war das erste Mal, daß er Isabelles Namen benutzt hatte.
    Hannahs Stimme klang schrill.
    – Wessen Kind trägst du, La Rousse? Nicht Etiennes.
    – Es ist Etiennes Kind.
    – Nein!
    Jean Tournier stützte sich auf die Tischplatte und stand auf. Sein silbergraues Haar lag weich wie eine Mütze um seinen Schädel, sein Gesicht war hager. Er sagte nichts, aber seine Frau verstummte und lehnte sich zurück. Er sah Etienne an. Es gab eine lange Pause, bevor Etienne sprach.
    – Es ist mein Kind. Wir werden sowieso heiraten, sobald ich fünfundzwanzig bin. Bald.
    Jean und Hannah tauschten einen Blick.
    – Was sagt dein Vater dazu? fragte Jean Isabelle.
    – Er hat seine Erlaubnis gegeben und wird die Aussteuer bereitstellen. Sie sagte nichts von seinem Haß.
    – Geh und warte draußen, La Rousse, sagte Jean still. Geh mit ihr hinaus, Susanne.
    Die Mädchen saßen nebeneinander auf der Bank vor der Tür. Sie hatten sich nicht oft gesehen, seit sie Kinder waren. Viele Jahre zuvor, bevor Isabelles Haar rot wurde, hatte Susanne mit Marie gespielt, half beim Heuen, mit den Ziegen, planschte im Fluß.
    Sie saßen eine Zeitlang da und sahen über das Tal.
    – Ich habe einen Wolf gesehen, draußen bei der cleda, sagte Isabelle plötzlich. Susanne starrte sie an, die

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