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Das dunkelste Blau

Das dunkelste Blau

Titel: Das dunkelste Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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Marktplatz versammelt und die vier Tore verriegelt. Ich stand in der Mitte des Marktplatzes neben einem Brunnen, um den herum Lavendelbüsche wuchsen, und fühlte mich erfüllt und zufrieden.
    Der Platz war auf allen vier Seiten von Bogengängen umgeben, mit Geschäften zu ebener Erde, darüber Wohnungen mit geschlossenen Fensterläden. Die Bögen waren aus langen schmalen Ziegeln; die gleichen Ziegel waren an den beiden oberen Stockwerken der Häuser in dekorativen Mustern zwischen braunem Fachwerk vermauert.
    Das ist genau das Richtige, dachte ich. Wenn ich dies jeden Tag ansehen kann, werde ich glücklich sein.
    Sofort kamen mir Zweifel. Es schien so absurd, sich bloß wegen eines einzigen schönen Platzes für eine Stadt zu entscheiden. Ich ging weiter und suchte nach dem endgültigen Zeichen, das mich entweder zum Bleiben oder zum Gehen bewegen würde.
    Ich brauchte nicht lange zu suchen. Nachdem ich die umliegenden Straßen erkundet hatte, ging ich in eine boulangerie auf dem Marktplatz. Die Frau hinter der Theke war klein und trug einen marineblau und weiß gemusterten Hauskittel, wie er hier auf jedem Markt verkauft wurde. Als sie die Kunden vor mir bedient hatte, wandte sie sich an mich, die schwarzen Augen musterten mich aus einem faltigen Gesicht, das Haar war zu einem losen Knoten zurückgesteckt.
    »Bonjour, Madame« , sagte sie in dem singenden Ton der französischen Verkäuferinnen.
    »Bonjour« , erwiderte ich, während ich mir das Brot auf den Regalen hinter ihr besah, und dachte: Das wird jetzt meine boulangerie sein. Aber als ich sie wieder ansah und ein warmes Willkommen erwartete, fiel jedes Selbstvertrauen von mir ab. Sie stand unbeweglich hinter der Theke, ihr Gesicht war versteinert.
    Ich öffnete den Mund: Nichts kam heraus. Ich schluckte. Sie starrte mich an und sagte »Oui, Madame?« in genau dem gleichen Ton wie zuvor, als hätten diese unangenehmen Sekunden gerade nie stattgefunden.
    Ich zögerte, zeigte dann auf ein Baguette. »Un« , brachte ich hervor, obwohl es mehr wie ein Brummen klang. Der Gesichtsausdruck der Frau ging in steife Ablehnung über. Sie griff hinter sich, ohne sich umzusehen, die Augen immer noch auf mich fixiert.
    »Quelque chose d’autre, Madame?«
    Einen Augenblick lang sah ich mich, wie sie mich sehen mußte: fremd, auf der Durchreise, mit einer ungeschickten Zunge, die über ungewohnte Laute stolperte, abhängig von einer Straßenkarte, um mich in der fremden Landschaft zurechtzufinden, und von einem Sprachführer und einem Wörterbuch, um mich zu verständigen. Sie schaffte es, daß ich mich verloren fühlte, gerade in dem Moment, als ich dachte, ich hätte eine Heimat gefunden.
    Ich sah die Auslagen an, verzweifelt bemüht, ihr zu zeigen, daß ich nicht so idiotisch war, wie ich erschien. Ich zeigte auf einige Zwiebel-Quiches und stammelte »Et un quiche«. Eine Zehntelsekunde danach wußte ich, daß ich den falschen Artikel verwendet hatte – es hieß une quiche – und stöhnte innerlich.
    Sie schob eine in eine kleine Tüte und legte sie auf die Theke neben das Baguette. »Quelque chose d’autre, Madame?« wiederholte sie.
    »Non.«
    Sie tippte die Beträge in die Kasse. Stumm gab ich ihr das Geld in die Hand, merkte dann, als sie mein Wechselgeld aufeinen kleinen Teller auf der Theke legte, daß ich das Geld dorthin hätte legen sollen statt in ihre Hand. Ich runzelte die Stirn. Das war eine Lektion, die ich schon hätte gelernt haben sollen.
    »Merci, Madame«, intonierte sie mit ausdruckslosem Gesicht und unerbittlichen Augen.
    »Merci« , murmelte ich.
    »Au revoir, Madame.«
    Ich wandte mich zum Gehen, hielt dann inne, dachte, daß es doch einen Weg geben mußte, um die Situation zu retten. Ich sah sie an: Sie hatte die Arme über dem riesigen Busen verschränkt.
    »Je – nous – nous habitons près d’ici, là-bas« , log ich, wild gestikulierend und einen Bezirk irgendwo in ihrer Stadt bezeichnend.
    Sie nickte einmal. »Oui, Madame. Au revoir, Madame.«
    »Au revoir, Madame«, erwiderte ich, wirbelte herum und stürzte zur Tür hinaus.
    Oh, Ella, dachte ich, als ich über den Platz trottete, was tust du nur, lügen, um das Gesicht zu wahren?
    »Dann lüge eben nicht. Lebe hier. Stell dich Madame jeden Tag über den Croissants«, murmelte ich als Antwort. Ich fand mich am Brunnen wieder. Von einem Lavendelbusch zupfte ich ein paar Blätter ab und zerrieb sie zwischen den Fingern. Der scharfe Geruch sagte: Reste.
    Rick war begeistert von

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