Das dunkle Erbe
mehr Zeit für Gesa zu haben.«
Raupach ließ ihn reden.
»Wir haben uns auf einem medizinischen Kongress kennengelernt, zu dem auch Heilpraktiker geladen waren. Ich habe in meinem Beruf mit vielen Frauen zu tun, doch bei Gesa habe ich sofort gespürt, dass wir uns auf eine besondere Art verstehen.«
»Ihre Frau hatte wahrscheinlich kein Interesse an fachlichen Dingen«, sagte Raupach.
»Keine Spur. Gesa wusste dagegen sofort, wie ich ticke. Aber sie war nicht leicht zu haben, verstehen Sie? Ich erinnere mich noch genau. Es war nach dem letzten Vortrag. Wir hatten am Abend zuvor zusammen gegessen. Relativ wenig getrunken, muss ich hinzufügen.« Schwan lächelte in sich hinein.
»Wenn es Ihnen nichts ausmacht, beschränken wir uns lieber auf die Gegenwart.« Raupach beugte sich über den Schreibtisch. »Hat Gesa Simon eine engere Beziehung zu Ihnen gewollt?«
Schwan überlegte. »Schwer zu sagen.«
»Vorhin haben Sie erklärt, dass sie Skrupel hatte, Ihre Ehe zu zerstören.«
»Ja.«
»Nach dem Tod Ihrer Frau ergab sich eine neue Konstellation. Wie hat Gesa darauf reagiert?«
»Keine Ahnung.« Schwan sah sich im Raum um, als suche er nach einer besseren Antwort. Dann begriff er. »Sie wollen mich reinlegen. Gesa ist kurz nach Sophie umgebracht worden. So lange, wie eine Autofahrt von Bayenthal ins Sechzigviertel dauert. Sie glauben immer noch, ich hätte es getan.«
»Ich glaube gar nichts.«
»All Ihre Freundlichkeiten. Ihr Verständnis.« Schwan schnellte hoch. »Das war nur Kalkül. Polizeiarbeit!«
»Beruhigen Sie sich. Ich stelle meine Fragen, das ist alles.«
»Stellen Sie die spontan? Oder hat die jemand für Sie aufgeschrieben?«
»Wir sagen Vernehmung dazu.«
»Verhör«, beharrte Schwan. »Ich kann es jederzeit beenden.«
»Sicher.« Raupach stand auf und öffnete die Tür. »Gehen Sie, wenn Sie möchten.«
»Zurück in die Zelle?«
»Bis Sie dem Untersuchungsrichter vorgeführt werden.«
Mülder schaute zur Kontrolle in den Vernehmungsraum und nickte Raupach zu.
Schwan erhob sich. »Sie müssen mich unter Anklage stellen.«
»Das werden wir auch tun, wenn es so weit ist.« Raupach hielt die Tür weiterhin offen.
»Und so lange malträtieren Sie mich mit Fangfragen?«
»Ich höre Ihnen zu, Herr Schwan. Aber ich bin kein Therapeut. Wir reden hier von ernsten Dingen. Vom Tod und wie es dazu kam. Wir unterhalten uns über das, was Sie aus der Bahn geworfen hat.«
»Das habe ich in anderem Zusammenhang gesagt.«
»Das weiß ich und das wird auch so protokolliert.« Raupach bedeutete Mülder, neue Getränke zu holen. »Ich bin nicht Ihr Feind, Herr Schwan. Ich bin der Ermittler.«
»Ihre Bescheidenheit kommt mir vor wie ein Trick.«
»Sie kennen doch sicher diese Fernsehkommissare, die herumschreien, wenn sie die Geduld verlieren. Die schwierige Zeugen mit überfallartigen Fragen in die Enge treiben.« Raupach ging zurück an seinen Platz. »Das macht nur auf dem Bildschirm etwas her. So läuft das hier nicht.«
»Und wie ist es in Wirklichkeit?«
Es kam nicht allein darauf an, die Wahrheit herauszufinden, dachte Raupach. Das war ein erster Schritt, sicher, aber er musste auch Sorge dafür tragen, dass der Verlauf seiner Ermittlung vor Gericht Bestand hatte. Dass sich ein Täter mit Hilfe der Polizeiarbeit zweifelsfrei überführen ließ. Geständnisse konnten in der Hauptverhandlung widerrufen werden, vor allem, wenn sie unter zweifelhaften Bedingungen zustande kamen. Raupach suchte nach Wahrheit, um Gerechtigkeit herzustellen. Was ihm selten gelang.
»Wollen Sie eine Pause?«, fragte der Kommissar. Mülder kam herein. Er brachte einen Kranz voller Flaschen und stellte zwei Gläser auf den Tisch.
»Nicht nötig. Daraus würden Sie wahrscheinlich wieder ihre Schlüsse ziehen.« Schwan nahm wieder auf seinem Stuhl Platz. »Ich bleibe.«
»Möchten Sie ein Erfrischungsgetränk?«
»Wasser reicht.«
»Bedienen Sie sich.« Raupach schenkte sich eine Cola ein. Komisch.
Schwan beteuerte kein einziges Mal, dass er unschuldig sei. Für gewöhnlich sprudelten die Verdächtigen damit nur so heraus.
»Kommen wir zum Freitag. Worüber haben Sie mit Frau von Barth gesprochen? An dem Tag, an dem sie verschwunden ist?«
Schwan trank sein Glas leer und füllte es erneut. »Es ging um den Kellerumbau in der Villa. Mein Gott, was war das für ein Hickhack!«
»Erklären Sie es mir, ich war nicht dabei.«
»Dass ich Gesa mit einer eigenen Praxis dort reinbringen wollte, habe ich Ihnen ja
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