Das dunkle Haus: Kriminalroman (Ein Erik-Winter-Krimi) (German Edition)
der auf diesem Stuhl saß. Alle sahen aus, als würden sie sich von hier fortträumen. Je bessere Antworten sie gaben, umso schneller würde sich ihr Traum verwirklichen. Es konnte fünf Minuten dauern, es konnte fünf Stunden dauern, zehn Stunden, zehn Tage.
Winter hatte kein Gefühl für den Mann, der ihm gegenübersaß. Runstig war vermutlich geisteskrank, sehr gefährlich, aber das wussten sie noch nicht. Sie wussten, dass es nichts über ihn in der Verbrecherkartei gab, kein Wort. Sie wussten, dass er arbeitslos war, Vertreterjob, von Tür zu Tür, Telefon zu Telefon, das Mieseste vom Miesen. Sie wussten, dass er verheiratet war. Wo er wohnte. Dass er einen Hund hatte. Irgendwo hatte er den Hund gekauft. Einen Verkäufer gab es nicht mehr, der Verkauf und Erwerb bestätigen konnte, würde es nie mehr geben.
»Wo haben Sie den Hund gekauft?«, fragte Winter.
»Wo ist sie? Wo ist Jana?«
»Beantworten Sie meine Frage«, sagte Winter.
»Was hat Jana mit der Sache zu tun?«
»Mit welcher Sache?«, fragte Winter.
»Na, dem hier. Mit dem Grund, warum ich hier sitze.«
»Wo haben Sie sie gekauft?«, wiederholte Winter.
»Wo?«
»Ja. Wo?«
»Ich kann mich nicht an die Straße erinnern.«
»In welchem Teil der Stadt?«
»Es war … irgendwo im Süden. Bei der Insel.«
»Welcher Insel?«
»Amundö.«
»Haben Sie den Hund bei Amundö gekauft?«
»Das habe ich doch gerade gesagt. In einem Haus in der Nähe von Amundö. Heißt wohl Stora Amundö.«
»Wo liegt das Haus?«
»Habe ich es nicht eben gesagt?«
»Könnten Sie es uns zeigen?«
»Da bin ich nicht ganz sicher. Es war eine Holzbude unter anderen Holzbuden. Ich erinnere mich nicht mal genau, ob es wirklich aus Holz war.«
»Wie weit lag das Haus von der Insel entfernt?«
»Nicht weit.«
»Wie weit?«
»Tja, vielleicht hundert Meter.«
Runstig war ruhig. Die Fragen bereiteten ihm keine Probleme. Winters einziges Problem war, dass Runstig keine Ahnung zu haben schien, warum ihm diese Fragen gestellt wurden.
Vielleicht hatte er alles vergessen, hatte es schon vergessen, als er das Haus verließ. Das war nicht ungewöhnlich.
»Könnten Sie das Haus wiederfinden?«
»Haben Sie das nicht schon gefragt?«
»Ich frage noch einmal«, sagte Winter. »Könnten Sie es wiederfinden?«
»Vermutlich.«
»Warum sind Sie dorthin gefahren?«
»Was?«
»Warum sind Sie zu dem Haus gefahren?«
»Welchem Haus?«
»Dem Haus bei Stora Amundö. Das Haus, von dem wir hier reden.«
»Sie reden von dem Haus.«
»Warum sind Sie zu dem Haus gefahren?«
»Sind wir mit dem Thema nicht fertig? Ich habe doch den Welpen gekauft!«
»Wem haben Sie ihn abgekauft?«
»Der Person, die in dem Haus wohnte.«
In Runstigs Gesicht bewegte sich kein Muskel, keine Lachmuskeln, nichts. Winter kannte diese Art Typ, sie interpretieren Fragen wörtlich, jedenfalls manchmal, geben widersprüchliche Antworten im selben Verhör, als wenn ein Fußballtrainer auf die Frage vorm Spiel, wie seine Mannschaft gewinnen will, antworten würde: »Indem sie mehr Tore schießt als der Gegner.«
»Wer hat in dem Haus gewohnt?«
»Ich kann mich nicht an ihren Namen erinnern.«
»War es eine Frau?«
»Ich habe doch gerade ›sie‹ gesagt, oder?«
»War es eine Frau, die Ihnen den Hund verkauft hat?«
»Wie ich eben schon sagte.«
»Hielten sich noch mehr Personen in dem Haus auf, als Sie den Welpen gekauft haben?«
»Ich bin nur einmal dort gewesen.«
»Danach habe ich nicht gefragt.«
»Wie war noch die Frage?«
»Gab es noch mehr Personen im Haus?«
»Wann?«
»Entscheiden Sie selber, wann«, sagte Winter.
»Ich bin nur das eine Mal dort gewesen.«
»Wann war das?«
»Als ich Jana gekauft habe.«
»Hat sie Jana geheißen, als Sie sie gekauft haben?«
»Nein.«
»Woher kommt der Name?«
»Ich habe sie so getauft. Oder vielleicht meine Frau. Ich kann mich nicht erinnern.«
»Wie hat der Hund vorher geheißen?«
»Er hatte noch keinen Namen.«
»Woher wissen Sie das?«
»Die Frau, die ihn mir verkauft hat, hat es mir erzählt.«
»Wieso können Sie sich daran erinnern?«
»Keine Ahnung.«
»Warum hat sie Ihnen das erzählt?«
»Keine Ahnung.«
»Versuchen Sie sich zu erinnern.«
»Da war was mit Allergie«, sagte Runstig unvermittelt.
»Welcher Art?«
»Allergie, Allergie, gibt es mehrere Arten? Was hat ›Art‹ damit zu tun?«
»Warum hat sie die Allergie erwähnt?«
»Ich glaube … die hatten den Hund noch nicht lange. Sie war allergisch. Sie hatten ihn
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