Das dunkle Lied des Todes
wenn du nicht willst.«
Er wandte sich ab und schüttelte den Kopf.
»Nein, Eva, ich war nicht allein in Mosambik. Ich war mit meiner Freundin zusammen.«
»Das wollte ich nur wissen.«
»Du hast wirklich ein Gespür für das richtige Timing.«
Eva lächelte.
»Und du bist zu bis oben hin, du musst das loswerden.«
Gustav kam mit der Taschenlampe zurück.
Eva leuchtete ins Loch, dann legte sie sich auf den Bauch und schob den Arm hinein.
»Da steckt etwas fest«, stöhnte sie.
»Kannst du fühlen, was das ist?«, fragte Gustav.
»Nein, doch … etwas hab ich jetzt.«
Eva drehte den Kopf und sah Bromsen an.
»Kann das eine Wasserratte sein?«, murmelte sie. »Es fühlt sich wie … ja, organisch an.«
»Soll ich?«
»Nein, ich mach das schon.«
Sie biss die Zähne zusammen und schloss die Hand um etwas, das sich anfühlte wie ein pelziger Hals.
Dieses Etwas kam Zentimeter um Zentimeter nach oben, Ruck um Ruck, bis der Kopf aus dem Loch ragte.
Bromsen beugte sich über den Vogel und riss ihn heraus.
»Eine Heringsmöwe«, sagte er.
»Wie ist die denn in den Abfluss geraten?«
»Vielleicht ist das die, die wir unten im Becken gesehen haben«, sagte Johan.
Bromsen nickte.
»Die kommt aus dem Wasser. Heringsmöwen können gut tauchen. Wenn die ins Becken geraten ist, dann hat sie keinen Ausweg gefunden und ist ertrunken.«
Eva sah das Wasser an, das in den Abfluss zurückströmte.
»Aber wieso hat das Becken im Keller eine Verbindung zum Abfluss im ersten Stock? Kannst du das auch erklären, kluger Lars?«
»Warum bist du so aggressiv?«
»Weil ich Möwen nicht leiden kann. Und tote Möwen schon gar nicht. Gustav und Johan, geht zum Strand und begrabt sie.«
Die Jungen verließen das Badezimmer.
Eva sagte, sie wolle sich umziehen gehen.
»Sarah ist unten geblieben«, sagt Bromsen.
Er kehrte Eva den Rücken zu und wusch sich die Hände.
»Von wem redest du?«
»Meine Freundin. Sie ist in Mosambik geblieben. Die Einheimischen haben das Haus abgefackelt, in dem wir gewohnt haben. Mitten in der Nacht, Sarah hat es nicht herausgeschafft.«
Eva sah zu, wie die letzten Tropfen im Abfluss verschwanden.
Bromsen suchte die Schrauben zusammen und brachte das Gitter wieder an.
»Aber das ist doch entsetzlich«, flüsterte Eva.
»Wir waren gewarnt worden. Das heißt, wir wussten, dass in der Umgebung Banden ihr Unwesen trieben. Die Höfe abbrannten und Menschen umbrachten. Sarah hat es nicht herausgeschafft. Das Mädchen, das uns bei den praktischen Dingen geholfen hat, sie ist ebenfalls verbrannt. So ist es in einigen Gegenden von Mosambik. Längst nicht überall, aber in gewissen Gegenden. Ich hatte Glück. Ich weiß nicht, ob das Glück war, aber ich konnte mich retten.«
Eva lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und ließ sich zu Boden gleiten.
»Entschuldige meine Neugier.«
»Das ist in Ordnung«, murmelte er.
»Nein, das ist nicht in Ordnung. Es geht mich doch nichts an. Es geht niemanden an.«
Sie schaute zu ihm auf.
»Oder es geht uns alle an.«
Bromsen senkte die Stimme.
»Geht es außer mir noch jemanden an, dass Sarah da unten geblieben ist?«
Eva starrte die Wandfliesen an.
»Das Puzzlespiel«, flüsterte sie. »Die vielen kleinen Teile, die Stück für Stück auftauchen. Ich dachte, das Haus sei schuld, aber das Haus ist nicht schuld, denn was immer hier los sein mag, wir haben es mitgebracht.«
Sie sieht den grauen Horizont an. Er soll aus dem Nordwesten kommen, der Orkan, und er ist schon ziemlich weit gediehen. Die Wellen werden mit jeder Minute höher. Das Meer wälzt sich wild hin und her. Der Wind pfeift durch Risse und Astlöcher, und die, die am Strand waren, um sich durchpusten zu lassen, sind längst ins Haus gerufen worden. Bromsen hat gesagt, wenn es schlimmer wird, dann müssen sie die Blenden vorschlagen. Vielleicht wird der Strom ausfallen. Deshalb hat Eva beschlossen, sämtlichen Warnungen zu trotzen und zum Kaufmann zu fahren, um noch mehr Kerzen zu besorgen.
»Ich brauche auch einige Stearinlichter.«
Der Kaufmann nahm den Becher. »Meinen Sie Kerzen?«
»Ja, Kerzen meine ich.«
So waren die Worte am ersten Tag in Burgsvig gefallen. Beim Kaufmann mit dem hellseherischen Verkaufstalent. Hatte er gewusst, dass er kommen würde? Der Orkan.Und hatte er vorausgesehen, dass die kettenrauchende Lehrerin einige Tage später zurückkehren würde, um nach weiteren Kerzen zu fragen? Und würde er mit einem Karton bereitstehen, wenn sie vor der
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