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Das dunkle Lied des Todes

Das dunkle Lied des Todes

Titel: Das dunkle Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bjarne Reuter
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der Beerdigung der jüngeren Tochter von Frederik und Gudrun Schiøler?«
    »Wir waren alle dort«, sagte Thomas. »Die ganze Klasse. Und Kelberg und drei weitere Lehrer.«
    Eva starrte zu Boden.
    »Weshalb wart ihr auf Maria Schiølers Beerdigung?«
    Anders machte eine vielsagende Handbewegung.
    »Weil wir sie gekannt haben.«
    »Woher habt ihr sie gekannt?«
    »Aus der Schule«, sagte Thomas. »Ehe sie ihren Namen geändert hatte, hieß sie Schiøler. Aber wir anderen kannten sie als Maria Wagner.«

14
    Mein Mann schloss den Laden am frühen Morgen. Er schraubte sogar eine Holzplatte vor das Schaufenster. Er wollte nichts riskieren.
    Kira Harkinen, Kaufmannsgattin
     
    Sie beobachtete sie beim Frühstück, Thomas, Anders, Betty und Vanessa. Müde, mürrisch und schweigsam und kaum wach. Hatten auch sie die ganze Nacht mit offenen Augen dagelegen oder hatten sie alles nicht so ernst genommen? Dann müsste sie mit ihnen reden und ihre eigene Angst mit ihnen teilen. Sie konnten verlangen, dass ihre Lehrerin sich ehrlich verhielt. Es war auch ihr Leben, falls irgendwer sie manipulierte. Sie sagte sich, diese Wortwahl sei falsch, und dass eben diese Formulierung ein Teil des Problems sei. Das, was sie nicht in Worte kleiden konnte.
    Ehe sie in die Falle gegangen waren, hatte sie zu Bromsen gesagt, Wagner sei das Missing Link, nach dem sie suchten. Eva hatte das sogar Anders gegenüber erwähnt.
    Sie hatten auf dem Gang gestanden, wo Eva sich ausnahmsweise eine Zigarette angesteckt hatte.
    »Du hast recht«, sagt sie. »Sie sind nicht untergegangen, sie sind verschwunden.«
    »Irgendwie schon.«
    »Wie meinst du das?« Anders zeigt auf die Zimmertüren. »Wir sind doch hier.«
    »Ich will nicht, dass du so etwas sagst.«
    »Warum nicht?«
    »Weil es keinen Sinn ergibt. Wir sind nicht sie. Wir können nicht sie sein. Sieh mich an, Anders: Wir sind nicht sie. Zum Henker, sie haben Sansibar 1934 verlassen. Sie sind mausetot, ertrunken, weg. Beim bloßen Gedanken sickert es los.«
    »Was sickert?«
    »Aus meinem Kopf, der Verstand, die Vernunft. Wir sind nicht sie.«
    »Wen willst du hier überzeugen?«
    »Uns beide.«
    »Na gut, dann ist das abgemacht.«
    Eva geht ins Badezimmer und löscht ihre Zigarette unter dem tropfenden Hahn.
    »Es muss seltsam sein«, ruft sie. »So vollkommen gleichgültig zu sein. Aber für mich, Anders, für mich ist das kein Witz!«
    Er tritt in die Türöffnung.
    »Ich bin nicht gleichgültig.«
    »Was bist du dann?«
    »Ich bin ein fauler Teenager auf Klassenreise.«
    Eva geht zu ihm.
    »Soll ich dir sagen, was du bist? Du bist so verdammt geheimnisvoll, dass mir die Zähne wehtun.«
    »Die Zähne?«
    »Hör auf, so herablassend mit mir zu reden. Glaubst du, ich bin blind? Glaubst du, ich kann nicht sehen, was zwischen euch vor sich geht?«
    »Geht etwas vor?«
    Er lehnt den Kopf an den Türrahmen und schließt die Augen.
    »Verzeihung«, sagt er. »Tausendmal Verzeihung, dafür, dass wir eine so   … seltsame Klasse sind. Du bist zu gut für uns.«
    Eva starrt ihn an.
    »Das ist neu, bisher habe ich immer das Gegenteil gehört. Dass keine Lehrerin und kein Lehrer gut genug für euch sind. Dass es auf der ganzen Schule niemanden gibt, der euch nach Frau Wagner übernehmen wollte, weil ihr so teuflisch begabt seid. Und deshalb wurde eine Amateurin ohne Verbindung zur Musikszene angeheuert, die keine Ahnung hatte, worauf sie sich da einließ.«
    Anders lächelt eines seiner seltenen Lächeln.
    »Du bist eine hervorragende Lehrerin und wir waren überglücklich, als sie dich eingestellt haben. Sieh dir Thomas an. Sieh dir Gustav an. Du hättest sie damals kennen sollen.«
    »Aber ihr seid noch immer so geheimnisvoll.«
    »Glaub mir, das hat nichts mit dir zu tun.«
    Eva kneift die Augen zusammen.
    »Das hat nichts mit mir zu tun? Und ich stecke nicht bis zum Hals mit drin? Hält uns dieses verdammte Hausnicht alle mit Haut und Haaren gefangen? Als wären wir   – entschuldige den Ausdruck   – die Handpuppen des Hauses?«
    Eva schlägt die Hand vor den Mund, als sie seine Reaktion sieht.
    »Habe ich etwas Falsches gesagt?«
    Sie starrt ihn an. Er hat plötzlich nichts Ironisches oder Gleichgültiges mehr. Er sieht sie mit einer Mischung aus schlechtem Gewissen und Angst an.
    »Ich geh jetzt ins Bett«, sagt er. »Gute Nacht, Eva.«
    »Anders, warte.«
    »Nein. Ich geh jetzt ins Bett. Schlaf gut.«
    »Ebenfalls«, murmelt sie, »ich geh jetzt auch ins Bett.«
    Sie öffnet die Tür zu ihrem

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