Das dunkle Paradies
an, der Benzintank leer, die Batterie ebenfalls. Jesse hob die Motorhaube und fühlte mit der Hand nach dem Motorblock. Er war kalt. Er ging bis zur Absperrung und blickte nach unten, wo eine dunkle Gestalt zwischen den Felsen in der Brandung hin- und hergeworfen wurde.
»Ist das da unten Lou?«, fragte Jesse.
»Können wir noch nicht sagen«, meinte Peter Perkins. »Von hier aus gibt es keinen Weg nach unten. Suitcase ist mit dem Polizeiboot und ein paar Tauchern unterwegs, aber es wird noch eine Weile dauern.«
Jesse nickte und ging zurück zum Buick. Auf dem Lenkrad klebte mit grauem Klebeband ein Zettel, darauf stand in Maschinenschrift die Mitteilung:
Jesse,
ich kann es nicht länger ertragen, wegen Mordverdachts
vom Dienst suspendiert zu sein. Alles wegen dir, Jesse.
Lou Burke
»Tüte den Zettel ein«, sagte Jesse.
Peter Perkins fasste den Zettel behutsam an einer Ecke an und schob ihn vorsichtig in einen durchsichtigen Plastikumschlag.
»Glaubst du, dass Lou sich umgebracht hat?«, fragte Perkins.
»Ich weiß es nicht.«
»Da ist Suitcase«, sagte Perkins.
Das Polizeiboot umrundete den zerklüfteten Felsvorsprung, der das Ende der Bucht markierte, und arbeitetesich durch die schwere morgendliche Brandung Richtung Klippe. Jesse erkannte Suitcase Simpson und zwei Männer in Taucheranzügen. Das frühmorgendliche Licht war noch blass und die spätherbstliche Sonne verbreitete einen schwachen, gelben Schein, aber keine Wärme. Der Wind kam vom offenen Meer und war heftig und kalt.
Das Boot steuerte so dicht wie möglich an die Brandung am Fuß der Klippe heran und die beiden Taucher sprangen über Bord ins schwarze Meer. Sie brauchten fast zehn Minuten, um sich bis zu dem Toten vorzuarbeiten, der immer wieder gegen die Felsen geworfen wurde. Einer der Taucher befestigte ein Seil an der Leiche, mit dem es Suitcase, unterstützt von den Tauchern, gelang, den Toten zum Boot zu ziehen. Die Leiche stieß gegen die Bordwand und plumpste wie ein schwerer Sack mit dem Gesicht nach oben auf das Deck, nachdem Suitcase und die beiden Taucher es geschafft hatten, sie über das Dollbord zu hieven.
»Ist es Lou?«, schrie Jesse, aber seine Stimme ging im Geräusch des Windes und der Brandung unter. Er sah, wie Simpson zu ihm heraufblickte und zurückschrie, aber er konnte ihn nicht verstehen. Jesse formte die Hände zu einem Trichter und Simpson ging in die Bootskabine, um kurz darauf wieder mit einem Megafon zurückzukommen.
»Ich glaube, es ist Lou«, schrie Simpson mit vom Megafon verzerrter Stimme. »Er ist eine ganze Zeitlang hin- und hergeworfen worden und nicht leicht zu identifizieren.«
Jesse nickte und hob den Daumen, woraufhin dasBoot abdrehte und sich vom Fuß der Klippen wegbewegte, die Motoren anwarf und lärmend und vom Ostwind unterstützt auf den Hafenkai zuhielt.
»Tu, was du tun kannst«, sagte Jesse zu Peter Perkins.
Er stieg in seinen Streifenwagen, machte das Blaulicht an und fuhr Richtung Hafen. Um 6 Uhr 10 war kaum jemand auf den Straßen und er musste das Martinshorn nicht benutzen. Wir sind wirklich reich gesegnet, dachte er, während er durch die alte Stadt mit ihren engen Straßen, noch engeren Bürgersteigen und kleinen Häusern fuhr. Drei Morde in einem Jahr. Eine Stadt wie diese hier muss normalerweise mit einem einzigen für alle Zeiten auskommen. Einen kurzen Moment lang musste er an Jenn denken. Dann war er da. Er sah das Polizeiboot, das jetzt die Geschwindigkeit drosselte, als es zwischen den Jachten hindurchfuhr, die für den Winter hier festgemacht worden waren. Er stieg aus dem Wagen und spürte, wie der Wind an ihm zerrte. Möwen hockten auf Stapeln und am Rand des Kais. Er ging ins Hafenbüro, schenkte sich einen Kaffee ein und tat Sahne und Zucker dazu, während er auf Simpson und die Leiche wartete. Er hatte noch einen Rest übrig, als das Boot gegen den Anleger stieß, und trank ihn aus, während er über das Dollbord des Polizeiboots an Deck stieg und neben der aufgedunsenen Leiche stehen blieb.
»Du hast recht«, sagte er zu Simpson. »Schwierig zu sagen, wer es ist. Hast du irgendwelche Papiere bei ihm gefunden?«
Simpson sah aus, als sei er etwas seekrank. »Ich hab ihn nicht mehr angerührt, seit wir ihn an Bord geholt haben«, sagte er.
Jesse nickte. Er drehte die Leiche herum und zog mühsam die Brieftasche aus der durchnässten Gesäßtasche und machte sie auf.
»Es ist Lous Brieftasche«, stellte er fest.
»Jesus«, sagte Simpson.
Die beiden Taucher
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