Das dunkle Paradies
nach vorn auf die Straße. »Außerdem glaube ich an Bekehrung.«
Davys Lärm ist still, während wir weiterreiten, und blutrot.
New Prentisstown verschwindet allmählich hinter uns, rechts und links der Straße findet sich kaum noch ein Haus. Rote und grüne Äcker tauchen zwischen den Bäumen und an den Berghängen auf, manche der Früchte, die hier angebaut werden, kenne ich, andere nicht. Die Stille der Frauen lässt hier draußen ein wenig nach, das Tal wird unwegsamer, wilder, in den Wassergräben blühen Blumen, wachsweiße Eichhörnchen beschimpfen sich gegenseitig, und die Sonne steht hart und kalt am Himmel, als wäre nichts geschehen.
Wir folgen der Flussbiegung um einen Hügel herum, auf dem ein hoher stählerner Turm steht.
»Was ist das?«, frage ich.
»Würdest du gerne wissen, was?«, giftet Davy, obwohl er es offensichtlich auch nicht weiß. Der Bürgermeister sagt nichts.
Gleich hinter dem Turm macht die Straße erneut eine Biegung und schlängelt sich entlang einer Steinmauer aus dem Wald heraus. In einiger Entfernung befindet sich ein Torbogen mit großen schweren Holztoren. Es ist die einzige Öffnung in der endlos langen Mauer. Dahinter wird die Straße lehmig und hört dann auf.
»Das erste und einzige Kloster von New World«, sagt der Bürgermeister und bleibt am Tor stehen. »Es wurde als Stätte stiller Besinnung für die frömmsten unserer Männer errichtet, zu einer Zeit, als wir noch glaubten, den Lärmbazillus allein durch Selbstverleugnung und Disziplin überwinden zu können.« Seine Stimme wird hart. »Es wurde aufgegeben, noch ehe es vollendet war.« Er sieht uns beide an. In Davys Lärm glimmt ein seltsames Fünkchen Freude auf, aber Bürgermeister Prentiss wirft ihm einen warnenden Blick zu.
»Du fragst dich sicher«, wendet er sich an mich, »weshalb ich meinen Sohn zu deinem Aufpasser bestellt habe.«
Davy grinst noch immer vor sich hin.
»Du brauchst eine starke Hand, Todd«, sagt der Bürgermeister. »Selbst jetzt denkst du nur daran, wie du weglaufen und deine Viola finden kannst.«
»Wo ist sie?«, frage ich, obwohl ich genau weiß, dass ich keine Antwort auf meine Frage bekommen werde.
»Ich habe nicht den leisesten Zweifel«, fährt der Bürgermeister fort, »dass Davy gut auf dich aufpassen wird.«
Davy grinst, auch in seinem Lärm.
»Dafür wird David von dir lernen, was Mut ist.« Jetzt ist Davys Grinsen wie weggewischt. »Er wird von dir lernen, wie man ehrenhaft handelt und was es heißt, ein richtiger Mann zu sein. Kurz gesagt, er wird lernen, so zu sein wie du, Todd Hewitt.« Er wirft seinem Sohn noch einen letzten Blick zu, dann wendet er Morpeth. »Ich freue mich außerordentlich darauf, heute Abend zu hören, wie euer erster gemeinsamer Tag verlaufen ist.«
Und ohne ein weiteres Wort macht er sich auf den Weg zurück nach Prentisstown.
Ich frage mich, weshalb er uns überhaupt begleitet hat. Bestimmt hat er Wichtigeres zu tun.
»Natürlich habe ich das«, sagt der Bürgermeister, ohne sich umzudrehen. »Aber unterschätze dich selbst nicht, Todd.«
Er reitet davon. Davy und ich warten, bis er außer Hörweite ist.
Dann bin ich derjenige, der das Schweigen bricht.
»Sag mir sofort, was mit Ben passiert ist, oder ich drehe dir deinen gottverdammten Hals um.«
»Ich bin dein Boss, Kleiner«, sagt Davy und grinst wieder dämlich. Er steigt vom Pferd und lässt seinen Rucksack zu Boden fallen. »Du solltest mich mit etwas mehr Respekt behandeln oder mein Pa wird dich …«
Aber ich bin schon aus dem Sattel gesprungen und schlage ihm ins Gesicht, ziele genau auf sein armseliges Möchtegern-Bärtchen. Er steckt den Schlag ein und schlägt zurück. Ich achte nicht auf den Schmerz, er auch nicht, und wir stürzen in einem Wirbel von Faustschlägen, Tritten, Ellbogen- und Kniestößen zu Boden. Er ist immer noch größer als ich, aber nur ein bisschen, nur so viel, dass es fast keinen Unterschied macht, aber immer noch so, dass ich nach einer Weile unter ihm auf dem Rücken liege und er mir mit seinem Unterarm die Kehle zudrückt.
Seine Lippe blutet, seine Nase ebenfalls, und mein Gesicht sieht nicht viel besser aus, aber das ist mir egal. Davy greift hinter sich und zieht eine Pistole aus seinem Rückhalfter.
»Deinem Vater wird es aber gar nicht gefallen, wenn du mich erschießt«, sage ich.
»Ja«, antwortet er, »aber ich habe eine Waffe und du nicht.«
»Ben hat dich besiegt«, ächze ich. »Er hat dich auf der Straße aufgehalten. Damit
Weitere Kostenlose Bücher