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Das dunkle Paradies

Das dunkle Paradies

Titel: Das dunkle Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
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auszurollen.
    »Zehn Mann mit Gewehren und wir beide gegen all die Spackle«, sage ich leise, aber hörbar.
    »Ach, uns passiert nichts«, sagt Davy. Er richtet seine Pistole auf den Spackle, der ihm am nächsten steht, wahrscheinlich eine Frau, sie trägt ein Spackle-Baby auf dem Arm. Sie wendet sich mit dem Baby ab, schützt es mit ihrem eigenen Leib.
    »Sie haben keine Spur von Kampfgeist.«
    Ich sehe das Gesicht der Spackle-Frau, die ihr kleines Kind beschützt.
    Ja, sie sind gebrochen, denke ich. Sie alle. Und sie alle wissen es.
    Ich weiß genau, wie ihnen zumute ist.
    »He, Schweinebacke, schau dir das mal an!«, ruft Davy. Er wirft die Arme in die Luft, sodass alle Spackle ihn ansehen. »Einwohner von New Prentisstown«, schreit er und fuchtelt wie verrückt. »Ich verkünde euch euer Schicksal!«
    Und er lacht und lacht und lacht.
    Davy beschließt, die Spackle zu bewachen, während sie die Felder von Gestrüpp befreien, aber das sicher nur, weil ich dann derjenige bin, der für alle das Futter aus dem Lagerhaus schaufeln und die Tröge auffüllen muss, aus denen sie ihr Wasser trinken.
    Aber das ist Arbeit, wie sie auf jeder Farm anfällt. Und daran bin ich gewohnt. An all die Arbeit, die mich Ben und Cillian Tag für Tag tun ließen. An all die Arbeit, über die ich mich tagtäglich beschwert habe.
    Ich wische mir über die Augen und mache weiter.
    Wenn ich arbeite, halten sich die Spackle so weit wie möglich von mir fern. Und ich muss sagen, ich habe nichts dagegen.
    Denn ich merke, ich kann ihnen einfach nicht in die Augen schauen.
    Mit gesenktem Kopf schaufle ich weiter.
    Davy sagt, sein Pa habe ihm erzählt, dass die Spackle als Diener oder Köche gearbeitet hätten, aber einer der ersten Befehle des Bürgermeisters war, die Spackle im Haus einzusperren, bis die Armee sie in der vergangenen Nacht abholte – während ich nichts ahnend schlief.
    Zur selben Zeit, als sie auch die Frauen abholten.
    »Die Leute haben die Spackle in den Gärten hinter ihren Häusern gehalten«, erzählt Davy weiter und sieht mir beim Schaufeln zu, während der Vormittag langsam in den Nachmittag übergeht und er allein das aufisst, was als Mittagsmahlzeit für uns beide gedacht war. »Ist das zu fassen? So als ob sie Scheiß-Familienmitglieder gewesen wären.«
    »Vielleicht waren sie es ja auch«, sage ich.
    »Jetzt sind sie es jedenfalls nicht mehr.« Davy steht auf und zieht seine Pistole. Grinst mich an. »Zurück an die Arbeit.«
    Ich schaufle fast das ganze Futter aus der Lagerhalle heraus, aber es reicht bei Weitem nicht. Außerdem sind drei der fünf Wasserpumpen defekt, und bis Sonnenuntergang gelingt es mir lediglich, eine davon wieder in Gang zu bringen.
    »Es ist Zeit, nach Hause zu gehen«, sagt Davy.
    »Ich bin noch nicht fertig«, sage ich.
    »Gut«, sagt er und geht in Richtung Tor, »dann bleib eben alleine hier.«
    Ich schaue mich nach den Spackle um. Jetzt, da die Arbeit des Tages getan ist, haben sie sich zusammengedrängt, so weit weg von den Soldaten und dem Eingangstor wie nur irgend möglich.
    So weit weg von Davy und mir wie möglich.
    Ich schaue unentschlossen zwischen ihnen und Davy hin und her. Sie haben nicht genug zu essen. Sie haben nicht genug Wasser. Sie haben keine Toiletten, und sie haben rein gar nichts, wo sie sich unterstellen oder Schutz suchen können.
    Ich strecke ihnen meine leeren Hände entgegen, aber das macht ihre Lage auch nicht besser. Sie starren mich an, als ich die Hände sinken lasse und Davy zum Tor hinausfolge.
    »So viel zu deinem Mut, was, Schweinebacke«, sagt Davy und bindet sein Pferd los, das er »Deadfall« nennt, das aber anscheinend nur auf den Namen »Acorn« hört.
    Ich beachte ihn nicht, denn ich muss an die Spackle denken. Ich will sie gut behandeln. Oh ja. Ich werde dafür sorgen, dass sie genug Wasser und Futter haben, und ich werde alles tun, was ich kann, um sie zu beschützen.
    Das werde ich.
    Das nehme ich mir fest vor.
    Denn sie würde das auch wollen.
    »Oh, ich kann dir sagen, was sie wirklich will«, höhnt Davy.
    Und wir prügeln uns schon wieder.
    Bei meiner Rückkehr liegt frisches Bettzeug im Turm, eine Matratze und ein Laken sind auf der einen Seite für mich, auf der anderen Seite für Bürgermeister Ledger ausgebreitet. Er sitzt schon auf seinem Lager, sein Lärm ist schrill, er isst Eintopf aus einer Schüssel.
    Auch der üble Geruch ist verschwunden.
    »Ja«, sagt Bürgermeister Ledger, »und rate mal, wer das alles sauber machen

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