Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Dunkle

Das Dunkle

Titel: Das Dunkle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
Vom Netzwerk:
Stimme klang ein bisschen kratzig. „Ich hatte mich nur … versteckt, für den Fall, dass dein Vater dich fährt. Ich wollte ihm nicht begegnen.“
    Jessica verdrehte die Augen. „Dabei weiß er gar nicht, wie du aussiehst. Außerdem, seit Mom und er beschlossen haben, dass ich nur noch meistens Hausarrest habe, ist er nicht mehr ganz so paranoid.“ Obwohl Dad, wie sie befürchtet hatte, diesen Besuch als einzigen Freigang für diese Woche gewertet hatte. Sie hoffte, dass ihre Mutter die Regel heute Abend nach der Arbeit kippen würde, falls sie nicht zu müde war.
    Jessica schob ihr Fahrrad zu der durchgehangenen Vorderveranda und wollte es am Metallgeländer anschließen.
    „Das musst du hier eigentlich nicht machen“, sagte Jonathan.
    Jessica fädelte die Kette durch die Speichen und ließ das Schloss zuschnappen. „Mach dich nur lustig. Großstadtallüren sind schwer abzulegen. Außerdem habe ich Tropidolaemus gern um mich.“
    „,Tropidolaemus‘? So heißt dein Fahrradschloss?“
    „Dreizehn Buchstaben. Und da du sicher gerade fragen wolltest: Das heißt ,Lanzenotter‘.“
    Jonathan blinzelte. „Lanzenotter? Ist Dess das eingefallen?“
    „Wem sonst?“ Sie rückte das Schloss zurecht. Die Kettenglieder wanden sich irgendwie schlangenartig um den Fahrradrahmen.
    Als sie sich Jonathan wieder zuwandte, trat er vor und nahm sie fest in die Arme. Sie schmiegte sich an ihn, die Wärme und Stabilität seines Körpers taten ihr gut. In der blauen Zeit fühlte sich Jonathan mit seiner Schwerelosigkeit immer so flüchtig, beinahe zerbrechlich an, als ob er nicht richtig da wäre. Um Mitternacht konnten sie zwar fliegen, aber irgendwie wurde sie dabei um Jonathans substanzielle Seite betrogen.
    „Alles okay mit dir?“, fragte er.
    „Logo. Wenig geschlafen. Wie steht’s mit dir? Du hörst dich an, als ob du was ausbrüten würdest.“
    Er zuckte mit den Schultern. „Hatte gestern vergessen, eine Jacke mitzunehmen. Der Heimweg war kalt.“
    „Ach du Schreck.“ Sie sah zu ihm auf. „Ich hatte vergessen
    …“ Sie hatte nicht daran gedacht, dass Jonathan nach Hause laufen musste – sie konnte sich nie vorstellen, dass er irgendwo hinlief. „Dabei war es gestern Nacht eiskalt.“
    Er lächelte und krächzte: „Erzähl mir mehr davon.“
    Jessica blickte zu Boden. Sie hatte Angst gehabt, aber drinnen wenigstens nicht gefroren. Er wohnte meilenweit weg. Sie sah auf in seine braunen Augen und sagte leise: „Du weißt, du hättest …“
    Die Fliegentür quietschte in den Angeln, als sie aufgestoßen wurde.
    „Wo sind sie? Hast du sie irgendwo gesehen?“
    Beide drehten sich nach dem Lärm um. Aus dem heruntergekommenen Haus trat ein alter, unrasierter Mann mit wettergegerbtem Gesicht. Seine Hände fuchtelten wild durch die Luft, er spreizte die Finger ab und starrte auf den Verandaboden, wo er etwas Unsichtbares zu suchen schien.
    „Sie sind abgehauen!“
    „Entschuldigen Sie bitte“, mischte sich Jessica ein, „äh, wer denn bitte?“
    „Meine Babys …“
    Seine Augen wanderten nach oben, wie durch einen milchigen Film blinzelte er sie an. Verwirrung löste seinen panischen Blick ab, und ein heller Spuckefaden glänzte im Sonnenlicht auf seinem Kinn. Büschel weißer Barthaare wuchsen in seinen Hautfalten, als ob ein Rasierapparat die Tiefen dieses alten Gesichtes nicht mehr erreichen könnte.
    „Geht schon in Ordnung, Dad, ich werde sie finden.“
    Hinter der Fliegentür sah Jessica Rex’ bebrilltes, blasses Gesicht auftauchen. Die verrosteten Angeln quietschten erneut, als er den Arm ausstreckte, um seinen Vater fest an der Schulter zu packen.
    „Du setzt dich einfach, und wir suchen nach ihnen.“
    Rex zog seinen Vater durch die Tür, die Worte des alten Mannes verebbten bei der Berührung in einem Gemurmel.
    Die Fliegentür schloss sich hinter ihnen und klapperte mehrmals gegen den Rahmen.
    Jessica griff nach Jonathans Hand und drückte sie. „Hab ich mich eigentlich schon bedankt, dass du mitgekommen bist?“
    „Würde ich um nichts in der Welt verpassen wollen.“
    Schritte kehrten zurück, und Jonathan ließ ihre Hand los.
    „Wart ihr das, die vorhin angerufen haben?“ Rex öffnete die Tür und trat ins Freie, das Sonnenlicht blendete ihn. Er deutete auf drei Gartenstühle am anderen Ende der Veranda. Er trug das gleiche Outfit wie täglich in der Schule: dunkle Hosen und einen Rolli, der so schwarz war, dass sein blasses Gesicht hinter der Fliegentür so ausgesehen hatte, als

Weitere Kostenlose Bücher