Das Dunkle
nach Zigarettenkippen, die in wassergefüllten Aschenbechern einweichten. „Ist nur zur Sicherheit“, sagte Rex, als sie beim Anblick einer Schale mit nassen, aufgelösten Kippen die Augenbrauen hochzog. „Dad hat es nicht so mit dem Ausdrücken von Zigaretten. Das Wasser hilft da.“
Der unverkennbare Gestank nach Katzenpisse setzte sich überall durch. Ein fetter Kater lümmelte sich auf einer gut durchgekratzten Couch und folgte ihnen mit gelangweiltem und zugleich erhabenem Blick.
Rex’ Vater hatte in einem großen Schaukelstuhl Position bezogen und starrte auf ein leeres Aquarium mit zerkratzten Scheiben. „Wo sind sie?“, fragte er mit dünner Stimme, als Jessica auf Zehenspitzen vorbeischlich.
„Wir finden sie“, rief Rex. „Weit können sie nicht sein.“
„Wo ist was?“, flüsterte sie, als sie einen dunklen Flur betraten. „Seine Fische?“
Ohne aufzusehen, schüttelte Rex den Kopf. „Nein, seine Spinnen.“
Sie sah Jonathan an, der mit den Schultern zuckte.
Rex’ Zimmer befand sich am Ende des Flurs und roch anders als der Rest des Hauses. Das Muffige stammte hier von alten Büchern und Museumsstücken. Notizblöcke und lose Blätter bildeten gefährliche Türme, und sämtliche Wände bedeckten Bücherregale. Ein Regal blockierte das einzige Fenster des Zimmers – Rex hatte ganz offensichtlich mehr Angst vor dem Licht als vor der Dunkelheit.
„Mein Reich“, sagte er.
Als sich Jessicas Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, konnte sie einige Titel erkennen. Etwas Ähnliches hatte sie erwartet, nur nicht so viel davon. Es gab Geschichtsbücher über Oklahoma, Tagebücher von Siedlern und Berichte über die Zwangsverschleppungen und den Pfad der Tränen, als Native Americans vor über hundert Jahren scharenweise nach Oklahoma verdrängt wurden. Weiter zurückreichend gab es Bücher über prähistorische Völker in der Neuen Welt und über Steinzeitwerkzeuge und -tiere. Jonathan und sie stiegen über Papierberge – handbeschriftete Dokumente, die das Stadtsiegel von Bixby trugen, und alte, abgegriffene Ausgaben des Bixby Register.
Jessica vermutete, dass Rex die halbe Stadtbücherei fotokopiert und in seinem Zimmer aufgehäuft hatte. Sogar sein Bett war mit Papieren übersät. Auf einigen sah man die krakeligen Formen, die auf Midnighterlehre hinwiesen. Sie erkannte die flammenähnliche Rune für ihr Talent – Flammenbringer. Vor Kurzem hatte Rex beim Mittagessen versucht, ihr die Symbole der anderen Talente zu erklären: Universalgenie, Akrobat, Seher und Gedankenleser. Die eng beschriebenen Seiten sagten ihr jedoch nicht viel.
Ein Rucksack belegte den einzigen Stuhl im Zimmer. Rex räusperte sich.
„Dess hat dir von Bixby erzählt, oder?“
Jessica ließ den Blick über die Stapel und Regale schweifen.
„Vielleicht nicht alles. Was genau?“
„Die Zeichen von Mitternacht. Die Treppen mit den dreizehn Stufen, die Symbole.“
„Klar.“ Dess hatte bei ihrer ersten Begegnung auf die Merkwürdigkeiten von Bixby hingewiesen, noch bevor Jessica erkannte, dass die geheime Stunde alles andere als ein Traum war. Von da an waren ihr die Zeichen überall aufgefallen: der dreizehnzackige Stern im Stadtsiegel, auf dem Wappen der Highschool oder auf den alten Plaketten, die an den Häusern angebracht waren. Sogar die Worte Bixby, Oklahoma hatten zusammen dreizehn Buchstaben.
„Hast du dich jemals gefragt, wer all die Sachen beschafft hat?“
Jessica runzelte die Stirn. „Es hat doch schon lange Midnighter gegeben, oder? Du hast gesagt, sie würden die Darklinge seit zehntausend Jahren bekämpfen. Seit der Erschaffung der blauen Zeit.“
„Stimmt. Der Kampf lief aber nicht immer so geheim wie heute ab. In den alten Zeiten wussten nicht nur wir Midnighter, was los war.“
Jessica nickte bedächtig. Dess behauptete, dass die ganze Stadt nach Antidarklingkriterien aufgebaut war. Hörte sich vernünftig an, dass eine Handvoll Midnighter Hilfe brauchen würde, um so etwas zu schaffen. Es sei denn, es gäbe so eine Art Architektentalent, von dem ihr bisher noch niemand was gesagt hätte.
Rex fuhr fort: „Jede kleine Stadt hat ihre Geheimnisse, Dinge, von denen Fremde nichts wissen. Vor langer Zeit war Bixby eine sehr kleine Stadt, mit viel größeren Geheimnissen als die meisten anderen.“
„Der Ort ist immer noch seltsam, auch wenn du die geheime Stunde nie mitbekommst“, sagte Jonathan. „Das war mir im ersten Moment klar, als wir hier ankamen.“
„Man braucht bloß
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