Das Dunkle
Darklinggroupies hatten sie alle erwischt.
Als er dann aber den Ford erreicht hatte, sah Jonathan Gestalten, die sich im Inneren duckten. Melissa lag ausgestreckt auf dem Fahrersitz, den Kopf lauschend auf eine Seite gelegt.
Jessica und Dess saßen halbwegs untergetaucht auf dem Rücksitz und hielten sich umschlungen.
Und kein Rex. War er wirklich verschwunden?
„Hallo, Flyboy“, sagte Melissa, als sie ihr Fenster runter-kurbelte. Ihr Gesicht war leichenblass. „Schön, dich zu sehen.“
Die hintere Tür öffnete sich, und Jessica taumelte heraus.
Sie schlang die Arme um ihn, Tränen liefen über ihr Gesicht.
„Was ist denn bloß passiert?“
„Nur ein kleines Navigationsproblem“, sagte Melissa. Ihre Stimme klang rau. „Ich glaube aber, wir haben es gelöst.“
Die zweite Fondtür öffnete sich, und Dess stieg aus und starrte ihn über die Motorhaube des Fords hinweg glasig an.
„Ich weiß, wo Rex ist. Wir müssen los.“ Sie ging auf sein Auto zu, mit zitternden Knien.
Alle drei sahen entsetzlich aus.
„Komm schon“, sagte Jessica, warf die Tür hinter sich zu und zog ihn zum Wagen seines Vaters.
„Sollte nicht jemand mit Melissa fahren?“, fragte er. „Sie sieht nicht gerade fit aus.“
„Steig einfach ein und fahr los“, sagte Dess.
Sie fuhren in Richtung Aerospace Oklahoma, Melissa hinter ihnen und Dess auf dem Beifahrersitz neben Jonathan, die Augen fest auf den leuchtenden GPS-Empfänger gerichtet.
Jessica saß auf der Rückbank, vornübergebeugt, damit sie ihn berühren konnte. Sie klebte an ihm, als ob sie gerade aus einem brennenden Haus gerettet worden wäre.
Unterwegs erzählte ihm Dess von Madeleine, der alten Gedankenleserin, die sie vor drei Tagen in ihrem Versteck in Bixby gefunden hatte. Jonathan konnte es kaum glauben – da hatte es die ganze Zeit in der Stadt noch einen Midnighter gegeben.
Manchmal war die geheime Stunde fast ein bisschen viel. Flächenland war vielleicht nur zweidimensional, aber wenigstens änderten sich dort die Regeln nicht alle zehn Sekunden.
„Sie ist fünfzig Jahre lang nicht aus dem Haus gegangen?“, fragte er, entsetzt über die Vorstellung. Wenn er eine Woche drinbleiben musste, weil er krank war, wurde er schon verrückt.
„Neunundvierzig“, sagte Dess. „Sie konnte manchmal ausgehen, solange sie verkleidet war. Wenn sie jemand erkannt hätte, hätten die Grayfoots mitbekommen können, dass sie wieder aufgetaucht war. Und nachdem Melissa geboren war, konnte sie nur noch während der Schulstunden rausgehen.“
„Was passiert jetzt?“, fragte Jessica. „Nachdem die Hurenkönigin Bescheid weiß?“ Dess schüttelte den Kopf, ohne den GPS-Empfänger aus den Augen zu lassen. „Ich will gar nicht daran denken. Sobald wir Rex gerettet haben, müssen wir Madeleine warnen. Vielleicht schmeckt sie es aber auch selbst.“
„Ich dachte, die Darklinge könnten sie deshalb nicht finden, weil ihr Haus genau da steht, wo es ist“, sagte Jessica.
„Stimmt, aber ich kenne den genauen Standort in- und auswendig.“ Dess’ Stimme hörte sich trocken und erschöpft an.
„So wie Angie wusste, wo sie Rex hinbringen sollte, verstehst du?“
Jonathan warf einen Blick nach hinten auf Jessica. „Äh, eigentlich nicht so ganz.“
„Koordinaten bedeuten etwas für mich, etwas Handfestes, wie Gefühle für Gedankenleser nach etwas schmecken“, sagte Dess. „Der Ort ist jetzt in Melissas Gedächtnis. Sie hat ihn sich bei mir geholt. Die Darklinge werden ihn früher oder später von ihr bekommen.“
Jonathan grollte. „Hoffentlich später.“
„Also“, sagte Dess, „wenn wir Melissa vor Midnight das Hirn rausprügeln, wird’s kein Problem geben.“
Lange Zeit herrschte Schweigen. Jonathan spürte, wie Jessica ihre Arme fester um seine Brust schlang, und konzentrierte sich auf die weißen Linien auf der Straße.
„Keine Abnehmer?“ Dess seufzte. „Kommt schon, ihr zwei.
Ich mache bloß Witze.“
Jonathan schluckte. Sie hatten ihm nicht alles erzählt, was sich in dem Auto abgespielt hatte oder warum es eine halbe Meile hinter Dess’ Haus liegengeblieben war. Nur dass Melissa Dess berührt hatte, um ihr die Koordinaten des Ortes zu geben, wo Rex hingebracht worden war. Und dass ihre Berührung die ganze verwickelte Geschichte mit Madeleine aufgerollt hatte.
Aber da musste noch mehr gewesen sein. Jonathan bekam immer noch Gänsehaut, wenn er sich an Melissas Berührung erinnerte. Bestimmt war Dess nicht begeistert gewesen, mit
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