Das Echo aller Furcht
haben wir die Ehre und das Privileg, der Welt ein Abkommen bekanntzugeben, das der Zwietracht in einem uns allen heiligen, aber geschändeten Gebiet ein Ende setzen soll. Dank dieser Übereinkunft wird es eine endgültige Lösung geben, die auf Glauben, Gerechtigkeit und das Wort Gottes gründet, den wir alle unter verschiedenen Namen kennen, aber der jeden einzelnen von uns sieht.
Dieses Abkommen unterstreicht das Recht aller Männer und Frauen in der Region auf Sicherheit, Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit und das Recht auf die Würde des Menschen in der Erkenntnis, daß wir alle Geschöpfe Gottes und einmalig sind, aber vor dem Herrn gleich ...«
Die letzte Abdeckplatte kam frei. Ghosn schloß die Augen und flüsterte erschöpft ein Dankgebet. Er war nun schon seit Stunden an der Arbeit und hatte auf das Mittagessen verzichtet. Er legte die Platte auf den Boden und die Bolzen auf die konkave Fläche, damit sie nicht verlorengingen. Ghosn, der typische Ingenieur, erledigte alles, was er tat, sauber und ordentlich. Die Öffnung verschloß eine noch intakte Dichtung aus Kunststoff, die wohl Feuchtigkeit fernhalten sollte – vermutlich von einem komplexen elektronischen Bauteil. Er berührte sie sanft und stellte fest, daß sie nicht unter Druck stand. Mit einem kleinen Messer schlitzte er den Kunststoff auf, zog ihn vorsichtig ab. Nun, da er zum ersten Mal in den Zylinder schaute, schien eine eiskalte Hand jäh sein Herz zu packen. Er hatte eine unregelmäßig geformte gelblichgraue Kugel vor sich, die wie schmutziger Brotteig aussah.
Es war also doch eine Bombe.
Oder zumindest ein Selbstzerstörungsmechanismus mit einer starken Ladung: rund fünfzig Kilo Sprengstoff ...
Ghosn wich zurück und verspürte plötzlich Harndrang. Mit zitternden Fingern zog er eine Zigarette aus der Packung und brauchte drei Versuche, um sie anzuzünden. Was hatte er übersehen? Nichts. Er war so vorsichtig gewesen wie immer. Noch war es den Israelis nicht gelungen, ihn umzubringen. Ihre Konstrukteure waren gewitzt, aber auch er war nicht auf den Kopf gefallen.
Nur Geduld, beruhigte er sich und begann, die Außenhülle des Zylinders ein zweites Mal zu untersuchen. Da war die Kabelverbindung mit dem Radargerät, noch befestigt, dazu die drei unbelegten Steckdosen.
Was kann ich über das Objekt aussagen? fragte er sich.
Kombiniertes Sende- und Empfangsgerät für Radar, dicke Hülle, abgedeckte Öffnung, kugelförmige Sprengladung, verdrahtet mit ...
Ghosn beugte sich vor und musterte das Objekt genau. In regelmäßigen, symmetrischen Abständen waren an der Kugel Sprengzünder angebracht, deren Kabel...
Das kann doch nicht wahr sein! Das gibt’s doch nicht!
Ghosn entfernte die Zünder nacheinander, zog die Kabel ab und legte sie behutsam auf eine Decke, denn solche Einrichtungen sind hochempfindlich. Der Sprengstoff selbst war dagegen so sicher zu handhaben, daß man ein Stück abbrechen und als Brennstoff zum Kaffeekochen benutzen konnte. Mit dem Messer brach er die überraschend harten Platten los.
»In der griechischen Mythologie erhält eine Frau namens Pandora eine Büchse mit der Ermahnung, sie nicht zu öffnen. Doch Pandora konnte nicht widerstehen, und als sie die Büchse, die die Götter mit allen Übeln gefüllt hatten, öffnete, flogen Streit und Krieg hinaus in unsere Welt. Die Frau war verzweifelt über ihre Tat, bis sie ganz zuunterst in der nun fast leeren Büchse die Hoffnung fand. Wir haben alle viel zuviel Streit und Krieg erlebt, aber nun endlich die Hoffnung genutzt. Es war ein langer, blutiger, von Verzweiflung markierter Weg, der aber immer aufwärts führte, denn Hoffnung ist die gemeinsame Vision der Menschheit auf das, was sein kann, sein sollte und sein muß, und es war die Hoffnung, die uns an diesen Punkt geführt hat.
Die alte Sage mag heidnischen Ursprungs sein, aber ihr Wahrheitsgehalt ist heute offenbar. Heute stecken wir den Krieg, den Streit und den sinnlosen Tod zurück in die Büchse, geben den Konflikt mit hinein und behalten nur die Hoffnung, Pandoras letztes und wichtigstes Geschenk an die Menschheit. Heute geht ein Menschheitstraum in Erfüllung.
Heute haben wir von Gott das Geschenk des Friedens angenommen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.« Der Präsident lächelte freundlich in die Kameras und ging unter dem zustimmenden Applaus seiner Kollegen zurück an seinen Platz. Nun sollte das Abkommen unterzeichnet werden. Der große Augenblick war da, und der
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