Das Echo aller Furcht
Er drehte sich zu seiner Frau um und lächelte.
Auch Cathy wußte Bescheid, denn sie hatte ihn schon vor einigen Monaten laut spekulieren hören. Jack war offenbar nicht bewußt, daß er beim Rasieren vor sich hin brummte, und er glaubte auch, daß seine Frau weiterschlief, wenn er so früh aufstand. Tatsächlich aber hatte sie ihn immer verabschiedet, auch wenn sie dabei die Augen geschlossen hielt. Cathy hatte es gerne, wenn er sie in dem Glauben, sie schliefe noch, küßte, und wollte die kleine Geste nicht verderben. Er hatte auch so schon genug Probleme. Jack gehörte ihr, und sie wußte, daß sie einen guten Mann hatte.
Wie unfair, sagte sich Frau Doktor Ryan. Die Initiative war zumindest teilweise Jacks Idee. Was ging sonst noch vor, von dem sie nichts wußte? Diese Frage stellte sich Cathy Muller Ryan, M. D., Fellow des amerikanischen Chirurgenkollegs, nur selten. Aber daß Jack Alpträume hatte, ließ sich nicht bestreiten. Er hatte Einschlafschwierigkeiten, trank zuviel, und wenn er dann endlich Ruhe gefunden hatte, störten Dinge, nach denen sie sich nicht zu erkundigen wagte, seinen Schlaf. Das beängstigte sie ein wenig. Was hatte ihr Mann getan? Welche Schuld schleppte er mit sich herum?
Cathy stutzte. Schuld? Wie war sie darauf gekommen?
Nach drei Stunden hatte Ghosn die Abdeckplatte losgehebelt. Er hatte eine neue Trennscheibe einsetzen müssen, aber der Hauptgrund für die Verzögerung war sein Stolz, der es ihm verboten hatte, Hilfe zu holen. Wie auch immer, es war geschafft, und mit dem Ansetzen eines Stemmeisens war die Arbeit getan. Der Ingenieur leuchtete mit einer Handlampe in das Objekt und stieß auf das nächste Rätsel.
Im Innern befand sich ein Gitterrahmen – aus Titan? überlegte er –, an dem ein zylindrischer Gegenstand mit Bolzen befestigt war. Ghosn ging mit der Lampe näher heran und sah, daß mehrere Kabel mit dem Zylinder verbunden waren. Er konnte knapp ein Elektronikpaket sehen ... ah, ein Sende- und Empfangsgerät für Radar, dachte er. Andererseits aber ... plötzlich wurde ihm klar, daß er etwas Entscheidendes übersehen hatte. Aber was? Die Beschriftung auf dem Zylinder war hebräisch, eine Sprache, die er kaum beherrschte. Deshalb konnte er mit den Markierungen nichts anfangen. Der Gitterrahmen war offenbar auch als Stoßdämpfer konzipiert und hatte seine Funktion auf bewundernswerte Weise erfüllt. Er war zwar stark gestaucht und verzogen, aber der Zylinder schien weitgehend intakt geblieben zu sein. Gewiß, er war beschädigt, aber nicht gerissen ... Was immer er enthalten mochte, mußte gegen Erschütterungen geschützt werden. Er war also empfindlich, und diese Tatsache wies auf ein elektronisches Bauteil hin. Ghosn kehrte also wieder zu seiner Störsender-Theorie zurück und hatte sich nun so verrannt, daß er andere Möglichkeiten ignorierte und die Indizien, die auf sie hinwiesen, übersah. Nun beschloß er, den Zylinder erst einmal auszubauen. Er wählte einen Steckschlüssel aus und machte sich an den Bolzen zu schaffen.
Fowler saß auf einem Renaissance-Sessel und beobachtete, wie die Protokollbeamten herumflatterten – sie erinnerten ihn an Fasane, wenn sie sich nicht entscheiden können, ob sie laufen oder fliegen sollen. Im allgemeinen nimmt man an, daß ein Anlaß wie dieser von Fachleuten geplant und souverän inszeniert wird. Fowler wußte, daß das eine Fehleinschätzung war. Gewiß lief alles glatt, wenn man genug Zeit – ein paar Monate – zur Ausarbeitung aller Details gehabt hatte. Diese Zeremonie aber war erst vor wenigen Tagen angesetzt worden, und das gute Dutzend Protokollbeamte hatte noch nicht einmal entschieden, wem in ihren Reihen der Vorrang gebührte. Seltsamerweise blieben die schweizerischen und russischen Beamten am gelassensten. Vor Fowlers Augen steckten sie die Köpfe zusammen, bildeten rasch eine Allianz und präsentierten den anderen einen Plan, der dann umgesetzt wurde. Wie eine gut aufeinander eingespielte Football-Mannschaft, dachte der Präsident. Der Vertreter des Vatikans war zu alt für diese Aufgabe. Der Mann, den Fowler für einen Bischof oder Prälaten hielt, war über sechzig und so aufgeregt, daß er kurz vor einem Herzanfall zu stehen schien. Schließlich nahm ihn der Russe beiseite und redete kurz beruhigend auf ihn ein; man nickte, reichte sich die Hand, wurde sich einig, und die Protokollbeamten zogen nun an einem Strang. Fowler nahm sich vor, sich nach dem Namen des sehr professionell
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