Das Echo aller Furcht
den Schrank, um ein Krankenblatt aus ihrem Mantel zu holen. Sie hatte sich schon fast wieder abgewandt, als sie etwas Sonderbares roch. Cathy Ryan steckte verdutzt den Kopf in den Schrank und schnüffelte auf eine Weise herum, die komisch gewirkt hätte, wenn ihr Gesicht nicht so ernst gewesen wäre, als sie die Duftquelle fand: Jacks teuren Kamelhaarmantel, den sie ihm im vergangenen Jahr gekauft hatte.
Er roch nach einem fremden Parfüm.
26
Integration
Vor dem Zusammenbau wurden zusätzliche Instrumente gekauft. Einen ganzen Tag nahm die Montage eines schweren Blocks aus abgebranntem Uran innen an einem Ende der Bombenhülle in Anspruch.
»Ich weiß, das zieht sich hin«, sagte Fromm fast entschuldigend. »In Amerika und anderswo setzt man spezielle Einstellvorrichtungen und Werkzeuge ein und stellt Bomben einer Bauart praktisch am Fließband her; alles Vorteile, die wir nicht haben.«
»Dabei müssen wir genauso exakt arbeiten, Kommandant«, fügte Ghosn hinzu.
»Mein junger Freund hat recht. Die Gesetze der Physik sind überall gleich.«
»Dann lassen Sie sich von uns nicht aufhalten«, sagte Kati.
Fromm machte sich sofort wieder an die Arbeit. Während er insgeheim schon das versprochene Geld zählte, konzentrierte er sich gleichzeitig auf seine Aufgabe. An dem eigentlichen kernphysischen Teil der Waffe hatte nur die Hälfte der Maschinisten gearbeitet. Der Rest war voll mit der Herstellung von Teilen beschäftigt gewesen, die als Halterungen dienten. Sie bestanden aus Gründen der Festigkeit und Kompaktheit größtenteils aus Edelstahl, und die einzelnen Komponenten der Bombe wurden daran montiert. Da die Waffe komplexer war als die meisten Maschinen, mußten diese Teile in einer exakten Reihenfolge eingebaut werden. Selbst die Maschinisten waren verblüfft, daß alles zueinanderpaßte, und sie gestanden murmelnd ein, daß dieser Fromm – über seine wahre Identität hatten sie die wildesten Spekulationen angestellt – auf jeden Fall ein verdammt guter Ingenieur war. Am schwierigsten war der Einbau der verschiedenen Uranblöcke. Die Teile aus leichteren und weicheren Materialien ließen sich viel reibungsloser einpassen.
»Wann wird das Tritium umgefüllt?« fragte Ghosn.
»Ganz zuletzt natürlich«, erwiderte Fromm, der gerade eine Messung vorgenommen hatte.
»Wir erhitzen nur die Batterie, um das Gas freizusetzen?«
»Ja«, entgegnete Fromm und nickte. »Halt! So nicht!«
»Was habe ich falsch gemacht?«
»Sie müssen dieses Teil beim Einbau drehen«, sagte Fromm zu dem Maschinisten und führte ihm den Prozeß vor. »Sehen Sie, so geht das.«
»Ich verstehe. Vielen Dank.«
»Hier werden die elliptischen Reflektoren befestigt...«
»Ja, das weiß ich.«
»Dann ist’s ja gut.«
Fromm winkte Ghosn. »Kommen Sie mal rüber. Verstehen Sie jetzt, wie das funktioniert?« Fromm wies auf zwei Reihen hintereinander angeordneter elliptischer Scheiben – insgesamt waren es neunzehn, und jede bestand aus einem anderen Material. »Die Energie der Primärladung trifft auf diese Scheiben und zerstört sie nacheinander, aber dabei...«
»Ja, das Endprodukt ist immer anschaulicher als Zahlen und Gleichungen auf Papier.«
Dieser Teil der Waffe machte sich die Tatsache zunutze, daß Lichtwellen keine Masse haben, aber Bewegungsenergie tragen. Genaugenommen waren es gar keine »Licht«-Wellen, aber da die Energie nur in der Form von Photonen auftrat, blieb das Prinzip gültig. Die Energie würde jede elliptische Scheibe in Plasma verwandeln. Dabei aber leiteten die Scheiben einen kleinen, aber festen Prozentsatz der Energie in eine Richtung um, in die auch die Wucht der Primärladung zielte.
»Ihr Energiebudget ist üppig«, bemerkte Ghosn nicht zum ersten Mal.
Der Deutsche hob die Schultern. »Es darf auch nicht anders sein. Wer nicht testen kann, muß überdimensionieren. Die erste amerikanische Bombe – jene, die auf Hiroshima abgeworfen wurde – war eine ungetestete Konstruktion. Reine Materialverschwendung und ekelhaft ineffizient, aber überdimensioniert. Und sie funktionierte. Wenn wir uns ein ordentliches Testprogramm leisten könnten...« Ein richtiges Testprogramm hätte ihn in die Lage versetzt, Werte empirisch zu ermitteln, die erforderliche Energie und ihre Steuerung, das exakte Verhalten aller Komponenten – und dann jene zu verkleinern, die für die gestellte Aufgabe zu schwer oder zu groß waren. So hatten es die Amerikaner, Russen, Briten und Franzosen seit Jahrzehnten
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